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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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der Hand, deren Stiel auf Sonja zeigte. Das Blatt in Freyas Hand knisterte.
    »Welche Freundin?«, fragte Funkel. Und sah Sonja in die Augen. Was Freya vorübergehend erleichterte. Wenn sie nicht angestarrt wurde, fiel ihr das Sprechen leichter.
    »Die von dem Maler in der Galerie, die hat auch angerufen vor einer Stunde, sie hat geweint, sie sagt, alles schaut so aus, als sei er überstürzt aufgebrochen, sonst ruft er sie immer an, wenn …«

    »… er dringend was erledigen muss oder ihm was dazwischenkommt oder er ganz plötzlich zu einem Künstler muss, um ihn zu trösten. Sie wissen ja, die Künstler …«
    Tränen standen in Edith Leus Augen. Und sie schämte sich deswegen vor den beiden Polizisten.
    Zwei Stunden nach dem Ende der Besprechung und nach einer Reihe von Telefonaten wegen anderer Vermisstenfälle waren Tabor Süden und Martin Heuer zu der Galerie in der Konradstraße aufgebrochen. Sonja und Paul Weber hatten sich mit Iris Frost im »Glücksstüberl« verabredet.
    »Er zieht manchmal um die Häuser«, sagte Edith Leu, die Freundin des Malers und Kleingaleristen Andreas Binger, den sie seit zwei Tagen nirgends erreichen konnte. »Ich weiß, dass er das jetzt nicht vorhatte, er ist in einer Arbeitsphase, er malt, er ist oben in seiner Wohnung und lässt sich von nichts und niemandem ablenken. Er hat den Anrufbeantworter an, ich sprech ihm drauf, und er ruft zurück, jeden Abend. Wir gehen auch schon mal zusammen was essen, dann geht er allein wieder zurück.«
    »Am Freitag waren Sie zusammen essen«, sagte Heuer. Er trug seine braune Daunenjacke, die ihm so etwas wie eine Statur verlieh. Dazu eine Wollmütze. Aus der hingen Fäden heraus. Süden hielt seine Lederjacke in der Hand. Ihm war warm genug.
    »Ja«, sagte Edith Leu. Sie betrachtete einen Stapel Post. Und spielte ständig mit ihren Fingern.
    »Haben Sie Angst, ihm ist etwas zugestoßen?«, fragte Süden. Sein erster Eindruck war gewesen, dass sie ernsthaft beunruhigt war. Sie schien tatsächlich nur das zu wissen, was sie sagte.
    »Nein«, sagte sie. Dann ballte sie die rechte Faust. Und blickte erschrocken zum Fenster. »Doch. Ich hab Angst. Ja.«
    »Warum?«, fragte Heuer.
    Die Frage verwirrte Edith Leu. Sie schwieg. Wieder spielte sie mit ihren Fingern. Steckte dann die Hände in die Taschen ihrer gelben Jacke. Und wich beim Reden den Blicken der Kommissare aus.
    »Er verkehrt … Er steht auf bestimmte Sachen, sexuell … Er geht dann in so … in diese Studios …«
    »SM-Studios«, sagte Heuer. Von seinen Touren kannte er genügend solcher Häuser. Das ein oder andere Mal hatte Lilo ihn zusehen lassen, hinter der Wand. Doch diese Art Sex erregte ihn nicht. Meist fand er diese Spiele langweilig. Aber vielleicht war er auch immer nur zu betrunken. Zu verzurrt. Zu deprimiert.
    »Ich hab da angerufen …«
    »Wo?«, fragte Süden. Er zog seinen kleinen Block aus der Hemdtasche. Und schrieb mit.
    »Bei Coletta, das ist so eine Frau … Die Telefonnummer hat mir Andreas mal gegeben, er geht immer nur zu ihr. Er … er war nicht bei ihr, er war nicht dort. Ich mach mir Sorgen …«
    »Vielleicht geht er noch zu anderen Dominas«, sagte Heuer.
    »Nein«, rief Edith Leu. Sie riss die Hände aus den Taschen. Drehte sich im Kreis. Und sah die beiden Männer an. Einen nach dem anderen.
    »Was vermuten Sie? Sie nehmen mich nicht ernst. Was glauben Sie, wo er steckt? Sagen Sie’s mir. Verarschen kann ich mich selber.«
    »Niemand verarscht Sie«, sagte Süden. »Wir würden uns gern oben in der Wohnung umsehen.«
    »Wie lange kennen Sie Herrn Binger schon?«, fragte Heuer.
    »Acht Jahre, fast neun.«
    »Hat er Feinde?«, fragte Süden.
    Edith Leu schüttelte den Kopf.
    »Wir brauchen ein Foto von ihm«, sagte Heuer.
    »Oben steht ein Selbstporträt.«
    »Ein Foto wär besser«, sagte Heuer. »Nichts gegen die Malkünste Ihres Freundes.«
    Nach eineinhalb Stunden verabschiedeten sich die Kommissare von Edith Leu. Und machten sich auf den Weg zum Kurfürstenplatz. Sie wollten mit der Straßenbahn in die Innenstadt fahren.
    Nicht nur Süden, auch Heuer benutzte selten den Dienstwagen. Sie hatten es nie eilig. Beide trugen keine Armbanduhr. Ein Handy besaßen sie ebenfalls nicht.
    »Der kommt wieder«, sagte Heuer. Und kratzte sich an seiner Wollmütze.
    Süden war derselben Meinung. In der Küche des Malers hatte er zwei Gläser bemerkt. An einem waren Spuren von Lippenstift. Und er war sich sicher, dass Edith Leu sie auch gesehen hatte.

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