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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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ging er, den Korb in der Hand, zur Wohnungstür. Er zog den Schlüssel aus der Jacketttasche und steckte ihn ins Schloss.
    Schilff stand direkt neben ihm.
    »Du bist eine tragische Witzfigur«, sagte Schilling.
    Der Schlag traf ihn am Kinn. Und er hatte keine Zeit, den Arm hochzureißen. Er taumelte. Hielt den Korb fest. Der schrammte an der Wand entlang. Ruderte mit dem anderen Arm und schlug mit der Schulter auf. Der Korb kullerte unters Fenster.
    »Schau dich mal an«, sagte Schilff laut. Und verschwand.
    Die Hände flach auf den Boden gestützt, stemmte sich Schilling in die Höhe. Das Parkett roch nach frischem Bohnerwachs.

24
    A m nächsten Morgen, nach einer unauffälligen Nacht, verließ Niklas Schilff als erster Kunde den Friseursalon und machte sich sofort auf den Weg zurück in die Pension, um den ganzen Tag in seinem Zimmer zu verbringen. Zuvor kaufte er sich in einem Kaufhaus eine Brille mit Fensterglas.
    »Wo wollen Sie hin?«, fragte Ingo Bellnik an der Rezeption. Er las in einer Zeitung.
    Schilff blieb stehen.
    Bellnik schaute ihn an. »Aha.«
    Schilff hatte eine Glatze und er hatte sich die Brauen stutzen lassen. Er war glatt rasiert, wodurch seine rissige Haut noch grauer wirkte. Und er trug eine Brille mit schwarzem Rand.
    Nachdem er ihn betrachtet hatte, schob Bellnik einen Zettel über die Theke. »Sie sollen die Polizei anrufen. Gibt's Ärger wegen dem Auto?«
    »Nein. Falls Sie niemandem gesagt haben, dass ich damit fahre.«
    Von einer Telefonzelle aus rief Schilff im Dezernat an. Es passte ihm gut ins Konzept, sich mit diesem Kommissar zu treffen. So verging die Zeit. So konnte er dabei zusehen, wie jemand sich an ihm abarbeitete. Und scheiterte.
    »Guten Morgen.« Sie trafen sich in dem türkischen Café, in dem Süden mit Sonja gewesen war.
    Schilff bestellte Kaffee und Weinbrand, der Kommissar Kaffee und eine belegte Semmel, die nach fetter Luft schmeckte. Hungrig aß er sie auf. Und bestellte eine zweite.
    »Wie läuft die Suche?«, fragte Schilff.
    »Haben Sie gewusst, dass Ariane Jennerfurt krank ist?«
    »Nein.«
    »Sie ist HIV-infiziert.«
    »Das ist hart.«
    »Sie wissen das.«
    Schilff trank. Sah aus dem Fenster. Vor der Pension unterhielten sich eine junge Frau und ein älterer Mann. Sie nahm seine Hand. Er wehrte ab. Und schaute sich um. Dann lächelte sie. Und sie gingen in die Pension.
    »Lassen Sie mich eigentlich beobachten?«, fragte er.
    »Warum sollten wir das tun?«, sagte Süden. Heute Morgen hatte er eine halbe Stunde lang mit Thon gestritten. Sein Chef drängte darauf, bei zwei anderen Vermisstenfällen neue Spuren zu verfolgen und die Angehörigen ein weiteres Mal zu vernehmen. Und im Fall Jennerfurt eventuell die Befragungen im Milieu fortzusetzen. Bisher hatte keiner der Anrufer die Suche auch nur ein Stück vorangebracht. Das wundert mich nicht, hatte Süden gesagt, es gibt nur einen, der etwas weiß. Thon hatte sich sein Zigarillo angezündet und einen Rest Asche vom Tisch geblasen. Von Südens Vermutungen wollte er nichts mehr hören. Die Spurensicherung in der Wohnung war abgeschlossen, verwertbares Material gab es nicht. Und die Hinweise auf den Reporter waren dürftig. Von seiner peinlichen Vorstellung als Beschatterdarsteller hatte Süden ihm nichts erzählt.
    »Modern, Ihr Haarschnitt«, sagte Süden.
    »Sehen Sie da oben irgendwo Haare?«
    »Hat Frau Jennerwein Ihnen von ihrer Krankheit erzählt?«
    Schilff schüttelte den Kopf. Und zum ersten Mal war sich Süden vollkommen sicher, dass seine Ahnung ihn nicht trog.
    »Waren Sie lang in Amerika?«, fragte er.
    Das gefiel Schilff. Darauf hatte er insgeheim gehofft: Über Dinge sprechen zu können, die vorbei sind. Dahinreden, bis es Mittag wurde. Und Abend. Und Nacht. Und wieder Morgen. Von jetzt an zählte nicht mehr, was war. Nur noch, was kommen würde. Und diese Erkenntnis veranlasste ihn aufzustehen.
    Der türkische Wirt und der Junge, der bediente, unterbrachen ihr Gespräch. In dieser Minute war Schilff davon überzeugt, seine Vergangenheit ermordet zu haben. Da waren noch Spuren, das musste er zugeben. Und vermutlich würden diese Spuren unauslöschlich bleiben. Bis zu jenem Tag im Februar, an dem die endgültige Entscheidung fiel. Wenn zu seiner Erlösung nur noch eine Handbewegung nötig sein würde.
    Er strich sich über den kahlen Schädel. Und setzte sich wieder.
    Süden schwieg.
    Schilff sah aus dem Fenster. Autos stauten sich in der Einbahnstraße. Männer riefen. Frauen mit tief in die Stirn

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