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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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uns belästigt. Silvio hat niemand erzählt, dass ich nebenan mein Interview mach. Dafür bin ich ihm dankbar. Aber natürlich wollte er ein Autogramm. Und weil er schon mal dabei war, hat De Niro mir auch ein Foto mit Unterschrift geschenkt. Ich hab ihn zu seinem Wagen begleitet. Japanisches Modell. Von seiner Frau, sagte er. Das Interview ist in vier Magazinen erschienen. Absolute Topgeschichte. Die hatte niemand außer mir. Sie ist auch in meinem Buch. Genau wie die über Michelle Pfeiffer, Silvios Lieblingsinterview.
    »Wollen Sie noch was trinken?«, fragte der Junge.
    »Ich will zahlen«, sagte Schilff.
    In seinem Zimmer riss er sich sämtliche Pflaster vom Körper und feuerte die Wunden an, wieder zu bluten.
    »Los«, sagte er laut. »Los.« Und dann summte er. »Somebody said from the Bible he’d quote, there was dust on the man in the long black coat.«

    Drei Wochen lang hatte Tabor Süden keine Zeit, Niklas Schilff zu treffen und ihn tiefer in seine Geschichte zu verstricken. In dieser Zeit arbeitete er in der Sonderkommission Rica. Deren Bezeichnung setzte sich aus den Namen der verschwundenen Kinder zusammen: Rico und Carla. Nachdem die Wohnungen und Häuser der Eltern durchsucht worden waren, um auszuschließen, dass sich die Ausreißer im Keller, auf dem Dachboden oder in einem abgelegenen Zimmer versteckt hielten – was die Polizisten häufig erlebten –, wandte sich die Soko an die Presse. Gleichzeitig telefonierten Süden, Feyerabend, Heuer, Weber und ihre Kollegen mit allen erreichbaren Verwandten und Bekannten der Kinder, mit Lehrern, ehemaligen Schulkameraden, die inzwischen im Ausland lebten, mit Ferienbekanntschaften, Sportkameraden. Das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter erhielten Beschreibungen und Daten über spezielle Verhaltensweisen von Rico und Carla, ebenso die zuständigen Behörden in Berlin, dem Lieblingsziel jugendlicher Trebegänger.
    Drei Wochen lang blieb die Suche erfolglos. Einige Male gingen die Kriminalbeamten Hinweisen von Anrufern nach, die schworen, die Kinder in einer bestimmten Stadt gesehen zu haben. Bei den Nachforschungen stellten die Fahnder dann fest, dass sie es mit den üblichen Trittbrettfahrern zu tun hatten. Drei Tage vor Heiligabend, am frühen Morgen des einundzwanzigsten Dezember, erhielt Süden den Anruf eines Mädchens. Sie hieß Denise und ging mit Rico in dieselbe Klasse, er hatte ihr ab und zu etwas anvertraut.
    »Ich hab einen Brief von Rico gekriegt, Sie müssen sofort herkommen.«
    In ordentlicher gerader Schrift hatte Rico auf ein kariertes Blatt geschrieben, dass er sich gemeinsam mit seiner Freundin Carla umbringen werde, weil er genau wisse, dass seine und ihre Eltern gegen sie waren, auch wenn sie im Fernsehen etwas anderes erzählten, und dass sie ihre große Liebe niemals erlauben würden. In einer anderen Schrift stand drunter: »Das geschieht euch recht. Carla«.
    Das bedeutete, die Eltern hatten die Polizei die ganze Zeit über angelogen.
    »Hast du das gewusst?«, fragte Süden.
    »Nein, ich hab nicht mal gewusst, dass die zusammen sind«, sagte Denise.
    Einige Schüler hatten ausgesagt, sie hätten gesehen, wie Rico und Carla sich mal getroffen und miteinander geredet hätten. Aber sonst sei zwischen den beiden nichts gewesen. Außerdem sei Rico vier Jahre älter.
    Zwar wies der harte Schnee kaum frische Spuren auf, doch Süden verfolgte die Abdrücke eines Fahrrads vor Denises Elternhaus. Denise meinte, Rico habe bestimmt eines geklaut, um ihr den Brief zu bringen, Fahrradklauen sei eine seiner wenigen Begabungen. An einer Kreuzung verlor sich die Spur.
    »Denk nach«, sagte Süden zu Denise. »Es gibt nur zwei Richtungen, in die er gefahren sein könnte. Wohin führen diese Straßen? Hat Rico in der Gegend Freunde, von denen wir nichts wissen? Oder Carla?«
    Denise trat in der Kälte von einem Bein aufs andere. Raschelte mit ihrer Daunenjacke. Rieb sich die Hände. Und blickte lange die Straßen hinunter. Und stutzte.
    »Ich weiß nicht, ob das was bedeutet …«
    »Ja«, sagte Süden schnell.
    »Der Herr Holland hat eine Freundin, glaub ich …«
    Auch davon hatte Ricos Vater nichts erzählt. Wozu er nicht verpflichtet war. Vorausgesetzt, sein Verhältnis hatte nichts mit dem Verschwinden seines Sohnes zu tun.
    »Und die hat ein Sommerhaus, so eine Hütte, da gibt's Strom, das hat er mir einmal erzählt …«
    Gemeinsam mit Denise fuhren Süden und Sonja aus der Stadt. Der Kommissar dachte daran, dass sie

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