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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Gunsten zu verrechnen sein.
    »Ja«, sagte Ben Zellner, »ja. Ja.«

    Die Luft im Zimmer war abgestanden. Es roch nach Schweiß. Und Alkohol. Die braunen Vorhänge waren vorgezogen.
    Süden knipste das Licht an.
    Unter zwei Bettdecken röchelte Schilff.
    »Kommen Sie«, sagte Süden.
    Schilff schaute ihn aus roten Augen an. Sein Gesicht war schweißnass, sein Körper zitterte.
    Sonja rief im Dezernat an.
    Eine halbe Stunde später untersuchte der Polizeiarzt Dr. Bauer den Reporter in seinem Pensionszimmer.
    »Er hat neununddreißig fünf Fieber«, sagte er hinterher. »Der Mann hat eine schwere Grippe, er ist nicht vernehmungsfähig. Außerdem ansteckend.«
    Nach langen Diskussionen in der Vermisstenstelle erklärte sich Dezernatsleiter Funkel damit einverstanden, einen Antrag auf eine Vierundzwanzig-Stunden-Observation zu unterschreiben. Fünf Zivilbeamte sollten in den nächsten Tagen vor der »Pension Odetta« abwechselnd die Stellung halten. Einer von ihnen war Tabor Süden. Er wollte es noch einmal versuchen. Ein letztes Mal.
    Unterdessen begannen Sonja Feyerabend und Martin Heuer damit, Schilffs Familiengeschichte zu erforschen.

    Vom Schönen bleibt ein Geschmack, und ich stelle mir vor, in der letzten Sekunde, wenn ich von den Füßen her schon angefüllt bin mit Schwärze, streiche ich mit der Zunge über meinen Gaumen und dann genieße ich eine Sekunde lang ein großes Mahl. Deswegen heißt es auch Mahlzeit. Weil man die Zeit essen kann. Allerdings nur am Ende, und auch nur eine Sekunde lang.
    Du musst mir das glauben, Iris, das ist sehr wichtig.
    Wenn ich so daliege, habe ich keine Schmerzen, das ist auch eine Gnade. Ich lauf schnell in den Garten und schau, ob die Kapuzinerkresse schon blüht. Die Knospen legen wir in Salzlake und essen sie später wie Kapern. Sie schmecken mir besonders gut im grünen Salat oder im Endiviensalat, oder aufs Brot, mit Quark dazu. Ich bin so gern in unserem kleinen Garten, da wachsen lauter Wunder.

28
    W ie hässlich diese Mäntel aussehen. Und jede der alten Frauen hat denselben an. Sie sehen alle gleich aus.
    Ich will keine Butterbreze. Er wirft die Breze auf den Boden. Seine Mutter schreit ihn an. Das macht sie neuerdings öfter. Vielleicht übt sie für ein Stück. Er ist trotzdem wütend deswegen. Ganz wütend. Und er schmeißt seinen Schulranzen weg und rennt aus dem Zimmer, dem Zimmer in der Stadt.
    Schulranzen. Das Wort klebte ihm im Kopf fest. Schulranzen, Schulranzen. Schilff war aufgewacht. Er lag wach in seinem Zimmer. Und war im Treppenhaus in der Isabellastraße. Wo seine Mutter wohnte. Die Schule ist ganz in der Nähe. Doch dann steht er unten vor dem Haus und weiß nicht, wohin.
    Ich muss aufstehen. Ich muss hier raus. Ich muss nach Bad Reding. Ich muss Vater Bescheid sagen, dass es ihr bessergeht. Niklas steht immer noch vor dem Haus. Gegenüber ist eine Metzgerei. Er könnte sich eine Wurstsemmel kaufen. Denn beim bloßen Gedanken an eine Butterbreze wird ihm schlecht.
    Er bekam keine Luft. Er wollte den Kopf heben. Wenn er nur einen Fuß aus dem Bett brächte! Den linken Fuß. Schon sieht er sich aufstehen und zum Fenster wanken. Er hat es geschafft. Jetzt reißt er das Fenster auf. Und atmet die kalte Luft tief ein. Was für ein Genuss. Jemand war in diesem Zimmer. Daran erinnerte sich Schilff plötzlich. Ein Mann mit einem Stethoskop. Ein anderer Mann. Eine Frau. Die Polizisten. Hatte er mit ihnen gesprochen? Nein. Er rutschte unter die Decke. Außer den schwarzen Boxershorts hatte er nichts an. Deswegen fror er auch so. Ich muss aufstehen. Und mein T-Shirt holen. Es lag auf dem Stuhl. Der Stuhl stand nur zwei Meter entfernt. In seiner Vorstellung war alles einfach. In den Achselhöhlen spürte er den Schweiß. Sein nackter Oberkörper war bedeckt von einer Schweißplane. Er bekam keine Luft.
    Er geht jetzt nach links.
    Nach links in Richtung des alten Friedhofs. Dahinter liegt die Schule. Aber er hat seinen Schulranzen nicht dabei, er hat ihn in der Küche liegenlassen. Er hat ihn vergessen. Ich hab meinen Schulranzen vergessen. Hilflos spricht er eine Frau an. Die ist ungefähr sechzig und kommt ihm vor wie hundert. Er fragt sie: Können Sie mir einen Schulranzen kaufen? Seine Stimme konnte er nicht hören. In seinem Mund war keine Spucke mehr. Und er zitterte. Und wälzte sich von einer Seite auf die andere. Dann war ihm wieder heiß. Und er schaffte es, eine Hand auf seinen glühenden Kopf zu legen. Flach auf die Glatze. Bleiernes Gewicht. Es

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