Unsterbliche Versuchung 2
Dan wälzte sich entweder unruhig von einer Seite der Couch zur anderen, oder er lag so still da, dass es den Anschein erweckte, er hauche gerade sein Leben aus.
Ich war angespannt, gereizt und tigerte über den flauschigen Teppich. Selbst das beeindruckende Bücherregal, das gegenüber dem Kamin die komplette Wand einnahm, konnte mich nicht ablenken. Ich hatte davor gestanden, in einigen Wälzern geblättert ohne auch nur einen einzigen Buchstaben in mich aufzunehmen und zu verstehen, was diese Seiten mir verraten wollten. Schließlich hatte ich es aufgegeben, sie wieder zurückgestellt und mich in den weichen, cremefarbenen Lesesessel gelümmelt, der neben einem winzigen Tischchen mit einer vergoldeten Leselampe darauf stand. Alles in diesem Zimmer war in hellen Tönen gehalten, wirkte aber nicht kalt. Die Farbtöne schmeichelten dem Auge des Betrachters.
Meine Beine hatten nervös gekribbelt, also war ich wieder aufgestanden, hatte mich vor dem wärmenden Feuer auf dem Lammfellteppich ausgestreckt und versucht nun die Flut meiner Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Ich starrte an die helle Deckenverkleidung, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und lauschte Dans Herzschlag. Er lag da und sah so harmlos aus wie ein Baby, das man die ganze Zeit knuddeln könnte.
Immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich ihn versonnen betrachtete, seine Wange berührte oder ihm das verschwitzte Haar aus der Stirn strich. Stundenlang hätte ich so dasitzen können, einfach nur, um ihn anzusehen. Nur zu gern hätte ich mich unter die Decke geschoben, meinen Kopf auf seine Brust gelegt und mich an ihn geschmiegt. Ganze zwei Mal stand ich bereits über ihn gebeugt da, den Zipfel der Decke in der Hand und einen Fuß schon auf der Couch. Glücklicherweise kam ich noch rechtzeitig zur Besinnung, deckte ihn wieder zu und verschanzte mich in dem leeren Zimmer gegenüber der Küche. Dort saß ich auf dem Boden und fädelte gedankenlos an den Fransen meines Rockes herum.
Was für ein Chaos, und das in weniger als achtundvierzig Stunden. Mir kam es vor wie Wochen. Wochen in denen ich immer mehr zu dem wurde, was ich am meisten verabscheute. Ein egoistischer, blutsaugender, mordlustiger Vampir. Mich beruhigte der Gedanke überhaupt nicht, dass ich Caroline am liebsten den Kopf von den Schultern geschlagen hätte, weil sie mir diesen Alptraum von Kleid angedreht hatte.
Wenigstens war sie nicht mehr da gewesen als ich mir das Kostüm angezogen hatte und Dan mich aus dem Krankenhaus schleppte. Trotzdem hätte ich gern ihr Gesicht gesehen, nachdem ich den hübschen Sterblichen lautstark vernascht hatte. Was hätte sich wohl darin gespiegelt? Hass, Verachtung oder sogar Neid?
Mit beiden Händen zerwühlte ich meine langen braunen Haare, inspizierte die Spitzen und suchte nach Anzeichen von Spliss. Was wirklich bescheuert war. Ich hatte seit drei Jahrhunderten kein Spliss gehabt, warum sollte sich das so plötzlich ändern?
„Weil sich alles ändert“, murmelte ich.
Da ich immer noch plante, mich dem
Federal Bureau of Human Security
zu stellen, haderte ich mit mir selbst. Alles sollte seinen geregelten Lauf nehmen. Ich würde mich stellen. Das war nur fair den Cops und den Familien der beiden Sterblichen gegenüber. Ich als Frau würde mich wohler fühlen, wenn ich einen Namen in der Hand hätte, der besiegelte, was meinem Mann zugestoßen war, vielleicht sogar ein Gesicht, das ich mit aller Macht verabscheuen und zutiefst hassen konnte.
Was genau die Spezialeinheit den sterblichen Familienmitgliedern erzählen wollte, war mir gleich. Hauptsache sie erwähnte, dass man den Schuldigen erwischt hatte. Wenigstens eine Genugtuung wollte ich den Opfern verschaffen.
Ich hatte das Mobiltelefon neben mir auf den Boden gelegt und warf einen nachdenklichen Seitenblick darauf. Schließlich hob ich es auf und suchte Toma aus dem Telefonbuch. Kurz bevor ich die Wahltaste drückte, löschte ich die Zahlen wieder und warf das Handy achtlos zur Seite. Toma war gerade so weit von mir entfernt wie nie zuvor. Nach all den Jahren war es mir überhaupt nicht schwergefallen, ihn für ein paar Tage zu vergessen.
Das sollte nicht so sein!
Er konnte nichts für das, was er getan hatte. Ich durfte ihn nicht so kaltherzig behandeln, das verdiente er einfach nicht. Toma brauchte jemanden, der ihm den Rücken stärkte, ihm Mut machte, gegen das anzukämpfen, was ihm jeden Tag schwer zu schaffen machte.
Nur ich wusste wirklich, wie sehr er sich quälte. Nur mir hatte
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