Südlich der Grenze, westlich der Sonne
gekostet hätte, nutzten wir lieber, um ein weiteres Mal miteinander zu schlafen.
Hätten wir unsere ekstatische Beziehung noch einige Monate ohne Atempause fortgeführt, hätte sich bestimmt einer von uns abgesetzt. Was wir damals taten, taten wir, weil wir nicht anders konnten. Es war eine selbstverständliche Notwendigkeit, die keinen Raum für Zweifel und Fragen ließ. Die Möglichkeit, dass sich Liebe, Schuldbewusstsein oder Gedanken an die Zukunft hineingemischt hätten, war von Anfang an ausgeschlossen.
Wäre unsere Beziehung nicht entdeckt worden (was bei meiner Besessenheit davon, Sex mit der Cousine zu haben, ziemlich unrealistisch war), wären Izumi und ich sicher noch länger ein Paar geblieben. Wir hätten uns in den Semesterferien getroffen, und unsere Beziehung hätte noch wer weiß wie lange gedauert. Dennoch bin ich sicher, dass einer von uns beiden sich von selbst gelöst hätte. Wir waren in vielen Dingen sehr verschieden, und die Kluft zwischen uns hätte sich mit den Jahren gewiss vertieft. Wenn ich jetzt zurückdenke, ist mir das völlig klar. Doch auch wenn unsere Trennung vielleicht unvermeidlich war, wäre sie sicher friedlicher ausgefallen, wenn ich nicht mit Izumis Cousine geschlafen hätte, und wir hätten unseren neuen Lebensabschnitt in einem gesünderen Zustand antreten können.
Aber so sollte es nicht kommen.
Die Wahrheit ist, dass ich Izumi zutiefst verletzte. Ich fügte ihr einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zu. Es war deutlich, wie sehr sie unter dieser Kränkung litt. Sie fiel durch die Aufnahmeprüfung für die Universität, die bei ihren Noten eigentlich angemessen für sie gewesen wäre, und studierte schließlich an einer unbekannten kleinen Frauenuniversität. Nachdem mein Verhältnis zu ihrer Cousine entdeckt worden war, sah ich Izumi nur noch ein einziges Mal. Wir redeten lange in dem Café, in dem wir uns häufig getroffen hatten. Ich bemühte mich, ihr die Sache irgendwie zu erklären. Ich wählte meine Worte behutsam und versuchte, ihr meine Gefühle möglichst ehrlich zu vermitteln. Ihr begreiflich zu machen, dass das, was zwischen mir und ihrer Cousine geschehen war, überhaupt keine Substanz hatte. Dass es niemals so geplant gewesen sei. Dass es sich um eine rein physische Anziehung gehandelt habe und ich nicht einmal das Gefühl gehabt hätte, sie zu betrügen. Dass es nie einen Einfluss auf unsere Beziehung gehabt hätte.
Aber natürlich wollte Izumi von alldem nichts wissen. Sie nannte mich einen schmutzigen Lügner, und sie hatte recht damit. Ich hatte hinter ihrem Rücken mit ihrer Cousine geschlafen, als wäre nichts dabei. Und nicht nur ein oder zwei Mal, sondern Hunderte von Malen. Ich hatte sie die ganze Zeit hintergangen. Wenn das alles so richtig gewesen war, hätte ich sie ja von vornherein nicht anlügen müssen. »Ich will mit deiner Cousine schlafen«, hätte ich von Anfang an sagen sollen. »Sex haben, bis mir das Hirn schmilzt. Tausend Mal in jeder nur möglichen Stellung. Aber du darfst dir nichts daraus machen, denn es hat nichts mit dir zu tun.« Aber natürlich hatte ich das Izumi nicht sagen können. Deshalb hatte ich gelogen. Hundert oder zweihundert Mal. Hatte mir Gründe ausgedacht, um Verabredungen abzusagen, damit ich nach Kioto fahren und mit ihrer Cousine schlafen konnte. Das war nicht zu rechtfertigen, ich trug die alleinige Verantwortung.
Es war Ende Januar, als Izumi von meinem Verhältnis mit ihrer Cousine erfuhr. Kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag. Im Februar bestand ich mit Leichtigkeit die Aufnahmeprüfungen für die Universität, Ende März sollte ich nach Tokio ziehen. Bevor ich die Stadt verließ, rief ich immer wieder bei Izumi an. Doch sie sprach nie mehr mit mir. Ich schrieb ihr mehrere lange Briefe, erhielt aber nie eine Antwort. Ich durfte doch so nicht abreisen und Izumi allein in diesem Zustand zurücklassen. Aber ich konnte finden, was ich wollte, in Wirklichkeit war ich machtlos. Denn Izumi wollte nichts, aber auch rein gar nichts mehr mit mir zu tun haben.
Im Hochgeschwindigkeitszug nach Tokio sitzend, starrte ich die ganze Zeit aus dem Fenster und dachte darüber nach, was aus mir geworden war. Ich betrachtete meine im Schoß liegenden Hände und dann mein Spiegelbild in der Fensterscheibe. Was war ich nur für ein Mensch? Zum ersten Mal in meinem Leben empfand ich Selbsthass. Wie hatte ich so etwas nur tun können? Doch ich kannte die Antwort. Ich wusste, dass sich, würde ich noch einmal in eine
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