Südlich der Grenze, westlich der Sonne
sehr ähnlich.
Sie trug einen roten Rollkragenpullover, Blue Jeans und gewöhnliche Desert-Boots. Sie war kaum geschminkt und hatte ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie sagte, sie studiere im achten Semester, sah aber viel jünger aus. Sie war wirklich ein besonders wortkarges Mädchen. Ich kam nicht dahinter, ob sie immer so still war oder ob sie nur vor lauter Aufregung so wenig sprach, weil es unsere erste Begegnung war. Vielleicht mangelte es ihr auch einfach an Gesprächsstoff. Als Unterhaltung konnte man unseren Austausch jedenfalls nicht bezeichnen. Ich konnte ihr nur noch entlocken, dass sie an einer privaten Hochschule Pharmazie studierte.
»Macht Ihnen Pharmazie Spaß?«, fragte ich, als wir in einem Café im Park saßen.
Sie errötete ein wenig.
»Machen Sie sich nichts draus«, sagte ich. »Schulbücher zu redigieren, ist auch nicht gerade aufregend. Auf der Welt gibt es haufenweise langweilige Tätigkeiten. Über solche Kleinigkeiten muss man hinwegsehen.«
Sie überlegte einen Moment. »Ich interessiere mich wirklich nicht besonders dafür, aber meine Eltern haben eine Apotheke.«
»Könnten Sie mir vielleicht etwas über Pharmazie erzählen? Ich habe überhaupt keine Ahnung davon. Ich habe in den letzten sechs Jahren nicht eine Tablette genommen.«
»Sie müssen sehr robust sein.«
»Stimmt, ich bekomme nicht einmal einen Kater«, sagte ich. »Aber als Kind war ich ziemlich anfällig und oft krank. Ich musste ständig Medikamente nehmen. Ich bin nämlich ein Einzelkind, und meine Eltern waren übermäßig besorgt um mich.«
Sie nickte und blickte in ihre Kaffeetasse. Wieder dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis sie etwas sagte.
»Pharmazie ist wirklich nicht gerade ein interessantes Fach«, sagte sie endlich. »Bestimmt gibt es spannendere Dinge auf der Welt, als die Inhaltsstoffe von Medikamenten auswendig zu lernen. Pharmazie ist nicht so romantisch wie Astronomie und nicht so dramatisch wie Medizin. Aber für mich hat sie etwas Vertrautes. Vielleicht trifft ›lebensnah‹ es am besten.«
»Ich verstehe«, sagte ich. Das Mädchen konnte also doch reden. Es dauerte nur länger, bis sie die richtigen Worte fand.
»Haben Sie Geschwister?«, fragte ich.
»Ja, zwei ältere Brüder. Einer ist schon verheiratet.«
»Sie studieren also Pharmazie, um Apothekerin zu werden und das Geschäft Ihrer Eltern zu übernehmen?«
Erneut errötete sie und schwieg lange. »Ich weiß es nicht genau. Meine Brüder sind beide bei Firmen angestellt. Also werde wohl ich die Apotheke übernehmen. Aber das steht noch nicht ganz fest. Mein Vater sagt, es macht nichts, wenn ich nicht will. In dem Fall führt er das Geschäft weiter, so lange er kann, und verkauft es dann.«
Ich nickte und wartete darauf, dass sie fortfuhr.
»Aber ich glaube, ich werde es übernehmen. Mit meinem Bein finde ich sowieso nicht so leicht eine Stelle.«
So verbrachten wir den Nachmittag. Es gab immer wieder lange Gesprächspausen. Wann immer ich sie etwas fragte, errötete sie. Dennoch langweilte ich mich nicht und fühlte mich auch nicht befangen. Eigentlich genoss ich unsere Unterhaltung sogar, etwas, was in letzter Zeit selten vorkam. Nachdem wir eine Weile in dem Café gesessen hatten, hatte ich sogar das Gefühl, sie schon lange zu kennen, was eine gewisse Wehmut in mir hervorrief.
Aber ich fühlte mich nicht zu ihr hingezogen. Natürlich war sie mir sympathisch, und es war ein netter Nachmittag, den wir miteinander verbrachten. Außerdem war sie hübsch. Dennoch konnte ich nichts an ihr entdecken, das mich im Innersten berührte.
Bei Shimamoto hatte es das gegeben. Während ich mit dem Mädchen zusammen war, musste ich ununterbrochen an sie denken. Das erschien mir nicht ganz richtig, aber ich konnte nicht anders. Noch immer klopfte mein Herz, wenn ich an sie dachte. Dies war von einer leicht fiebrigen Erregung begleitet, als würde sacht die Tür zu meinem Herzen aufgestoßen werden. Doch als ich mit diesem hübschen hinkenden Mädchen durch den Hibiya-Park ging, spürte ich nichts von dieser Erregung. Was ich empfand, war eine Art Mitgefühl und eine heitere Gelassenheit.
Ihr Zuhause, also die Apotheke, befand sich in Kobinata im Bezirk Bunkyo. Ich brachte sie mit dem Bus dorthin. Wir saßen nebeneinander, aber sie sagte fast nichts.
Einige Tage später kam mein Kollege auf mich zu, um mir zu sagen, dass ich dem Mädchen sehr gefallen hatte. Er schlug vor, am nächsten Feiertag zu viert einen Ausflug zu
Weitere Kostenlose Bücher