Südlich der Grenze, westlich der Sonne
geschlossenen Augen vor dem Ofen liegen. Ich erinnerte mich an jedes Detail – an ihren Hals, ihre Brüste, ihre Hüften, ihr Schamhaar, ihre Vagina, ihren Rücken, ihre Taille und ihre Beine. Diese Bilder waren überdeutlich, zu nah, zu scharf. Näher und schärfer, als die Realität sein konnte.
Irgendwann ertrug ich es nicht länger, wie diese plastischen Visionen in dem engen Raum auf mich eindrangen. Ich flüchtete aus dem Büro und irrte ziellos durch die Gegend. Schließlich ging ich in die Bar und rasierte mich auf der Toilette. Ich hatte mir den ganzen Tag noch nicht das Gesicht gewaschen und trug noch immer die Windjacke vom Tag zuvor. Meine Angestellten sagten zwar nichts, musterten mich aber befremdet. Aber ich wollte auch nicht nach Hause. Wäre ich in diesem Moment Yukiko begegnet, hätte ich ihr wohl alles gestanden. Dass ich Shimamoto liebte, mit ihr die Nacht verbracht hatte und für sie mein Heim, meine Töchter, meinen Beruf und überhaupt alles aufzugeben bereit gewesen wäre.
Ich hätte es ihr eigentlich erzählen müssen, das wusste ich. Aber ich konnte es nicht. Ich war unfähig zu unterscheiden, was richtig und was falsch war. Ich begriff ja nicht einmal, was mir zugestoßen war. Also fuhr ich nicht nach Hause. Ich ging in die größere Bar und wartete auf Shimamoto, wohl wissend, dass es vergebens war. Doch ich konnte nicht anders. Als sie nicht kam, setzte ich mich im Robin’s Nest an die Theke und wartete, bis die Bar schloss. Wie immer plauderte ich mit ein paar Stammgästen, aber von dem, was sie sagten, drang kaum etwas zu mir durch. Ich nickte höflich zu allem und dachte dabei doch die ganze Zeit nur an Shimamoto. Wie zärtlich ihre Vagina mich empfangen hatte. Wie sie meinen Namen gerufen hatte. Und jedes Mal wenn das Telefon klingelte blieb mir fast das Herz stehen.
Nachdem wir geschlossen hatten und alle gegangen waren, blieb ich allein an der Bar sitzen und trank. Doch ich konnte trinken, soviel ich wollte, ich wurde nicht betrunken. Im Gegenteil, je mehr ich trank, desto klarer wurde mein Kopf. Was sollte ich tun? Als ich nach Hause kam, war es schon nach zwei, aber Yukiko war noch wach und wartete auf mich. Ich hätte sowieso nicht schlafen können und setzte mich mit einem Whiskey an den Küchentisch. Auch sie nahm sich einen Whiskey und gesellte sich zu mir.
»Leg ein bisschen Musik auf«, sagte sie. Ich schob die erstbeste Kassette in die Anlage und drehte den Ton leise, damit die Kinder nicht aufwachten. Eine Weile saßen wir einander schweigend gegenüber und tranken.
»Es gibt eine andere Frau in deinem Leben«, sagte Yukiko und sah mich an.
Ich nickte. Wahrscheinlich hatte sie diese Worte immer wieder im Geiste vor sich hin gesprochen, so entschlossen und schwerwiegend klangen sie.
»Und du liebst diese Frau wirklich, oder? Es ist nicht nur ein Abenteuer.«
»Du hast recht«, sagte ich. »Es ist kein Abenteuer, aber es ist auch nicht so, wie du vielleicht denkst.«
»Woher weißt du, was ich denke?«, sagte sie. »Bildest du dir wirklich ein zu wissen, was ich denke?«
Ich schwieg. Mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen können. Auch Yukiko schwieg lange. Leise ertönte die Musik. Irgendein Stück von Vivaldi oder Telemann, das ich nicht kannte.
»Du hast keine Ahnung, was ich denke«, sagte Yukiko. Sie sprach langsam und deutlich, als würde sie einem Kind etwas erklären. »Da bin ich ganz sicher.«
Sie sah mich an. Als ihr klar wurde, dass ich nichts erwidern würde, nahm sie ihr Glas und trank von dem Whiskey. Sie schüttelte langsam den Kopf. »So dumm bin ich nun auch wieder nicht. Ich lebe mit dir zusammen, ich schlafe mit dir. Ich weiß schon eine ganze Weile, dass es da eine andere gibt.«
Ich sah sie schweigend an.
»Ich mache dir keinen Vorwurf. Wenn man sich verliebt, kann man nicht viel dagegen tun. Man liebt, wen man liebt. Offenbar genüge ich dir nicht. Das kann ich sogar verstehen. Bis jetzt ist mit uns alles gutgegangen, und du warst sehr lieb zu mir. Ich war glücklich mit dir. Ich glaube, dass du mich auch jetzt noch sehr gern hast. Doch letzten Endes genüge ich dir nicht. Irgendwie war mir das schon immer klar, und ich wusste, dass es einmal so kommen würde. Da kann man nichts machen. Ich verurteile dich nicht dafür, dass du dich in eine andere Frau verliebt hast. Ehrlich gesagt bin ich nicht mal wütend. Seltsam, aber es ist so. Es tut mir nur weh. Sehr weh. Ich hatte mir schon gedacht, dass es wehtun würde, wenn so etwas
Weitere Kostenlose Bücher