Sünde einer Nacht (Geschichtentrilogie Band 3 Romantische Geschichten)
drehte sich im Kreis in der Abendsonne. Bis zur Erschöpfung. Und der Erpel sah ihr zu. Später dann sind beide fröhlich schnatternd weitergezogen.
Wenn es doch mit den Menschen auch so wäre. Es gäbe keine Probleme. Ich musste an Siggi denken. Jetzt. Hier. Vor dem Spiegel. In dem ich mich aufmerksam betrachtete. Nach dem heutigen Erlebnis. Nach dem bestimmt mein Leben verändernden Erlebnis. Im Westteil der Stadt. Nach dem Mauerfall. Am 11.11.1989!
Siggi war ein Idiot. Mit ihm gab es nur Probleme. Eigentlich war er das Problem. Das Problem schlechthin. Ja, der ganze Kerl war ein einziges Problem. Ganz abgesehen davon, dass er nicht mit so einem Drehdings ausgestattet war wie der wunderschöne Erpel und mir wenigstens damit Freude bereitet hätte, klappte mit ihm überhaupt nichts. Und wie hatte ich mich in ihn verliebt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Und die soll es ja nur einmal im Leben geben.
Das ist natürlich Unsinn pur. Siggi war nicht meine erste Liebe auf den ersten Blick. Er war meine zweite Liebe auf den ersten Blick. Meine erste Liebe auf den ersten Blick war Apoll. Apoll hieß natürlich nicht Apoll. Ich nannte ihn nur so, weil ich seinen richtigen Namen nicht wusste und er mir so schön erschien, wie man sich Apoll immer vorstellt. Aber von Apoll erzähle ich später.
Jetzt saß ich vor dem Spiegel und wunderte mich. Ich starrte mich an, als sähe ich mich zum ersten Mal.
„Wie vergänglich doch die Liebe ist“, sprach ich zu meinem Spiegelbild. „Oder das, was man dafür hält.“
Eine Krankheit ist sie. Die Liebe. Eine Krankheit, die vergeht. Die man heilen kann. Oder an der man stirbt.
Glücklicherweise sterben die wenigsten daran. Und zu ihrem eigenen Entsetzen werden einige immer wieder von dieser Krankheit befallen, obwohl es sie ja nur einmal geben soll, bis sie sich daran gewöhnt haben und sie so richtig auskosten, oder auskotzen. Pardon.
Flüchtig ist sie. Die Liebe. Flüchtig wie ein Schmetterling. Man kann sie nicht festhalten. Man will es vielleicht auch nicht. Wer will schon eine Krankheit festhalten. Es sei denn, man ist Masochist.
*
Siggi hatte ich durch Zufall kennengelernt. Wenn es Zufälle geben sollte. Ich glaube ja mehr an Vorbestimmung. Irgendwo, ganz weit hinter den sieben Bergen soll es ein Buch geben, in dem der Menschen Anfang und Ende, also Geburt und Tod, aufgeschrieben sein soll. Im Voraus natürlich. Diesen Ort würde ich ja gerne finden. Oder lieber doch nicht. Wer will schon wissen, wann sein Leben zu Ende ist. Ich bestimmt nicht. Dann müsste ich mich ja hetzen, um all das zu machen, was ich noch machen will. Das Leben ist vergänglich wie die Liebe. Ewig währt nur der Tod. Doch den will ich nicht. Noch nicht. Nein, überhaupt nicht. Auch das steht irgendwo geschrieben, dass nur derjenige den physischen Tod erleiden werde, der es wolle. Also werde ich nicht wollen.
Und nun wieder zurück zu Siggi. Ach, das noch vorweg: Ich bin tatsächlich Schauspielerin geworden. Na ja, mehr so etwas Ähnliches.
Aber dazu später mehr.
Ich hatte eine Winzigrolle in einem Film bekommen, Der letzte Rächer , und Claudia, die Regieassistentin, hatte unser Team zu ihrer Hochzeitsfeier eingeladen, vielmehr, zu ihrem Polterabend. Das war im Mai vor der Wende an einem wundervollen Tag, dem ein noch wundervollerer Abend folgen sollte, mild und sternenüberfunkelt.
Unser Team fuhr nach Drehschluss ausgelassen und überdreht, nach jedem Drehtag waren sowieso alle überdreht, zu Claudias adrettem Einfamilienhaus.
Wir waren etwas spät dran. Die Stimmung im Keller schlug schon hohe Wogen, als wir eintrafen. Im Halbdunkel des Dusterlichts konnte man kaum etwas wahrnehmen. Überlaute Rockmusik dröhnte uns entgegen aus den übergroßen Boxen der Stereoanlage.
Ein Platz in der Mitte lud zum Tanzen ein. Doch die Gäste tanzten nicht. Sie saßen dicht gedrängt an langen Tischen längs der kalten Wände und ließen sich Essen und Trinken munden. Dabei quasselten sie lautstark und wild gestikulierend durcheinander. Bestimmt hatten die schon alle einen sitzen.
Wir stolzierten im Gänsemarsch an der Theke vorbei, die rechts neben der Kellertür aufgestellt war. Die Gäste rückten zuvorkommend etwas zusammen, so fanden wir jeder einen Sitzplatz.
Claudia und ihr Bräutigam hatten uns an der Tür bewillkommnet, umarmt, geküsst, ihre Geschenke huldvoll entgegengenommen. Eine Männerstimme hatte enttäuscht gesagt:
„Kein Material
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