Sünde einer Nacht (Geschichtentrilogie Band 3 Romantische Geschichten)
Pardon, eine Frau der Tat.
Heimlich, ich wollte mich ja nicht zum Klops machen, schrieb ich an die Schauspielschule in Berlin einen langen Brief über meine Träume, Hoffnungen, Wünsche. Und nach einem Jahr, als ich es schon aufgegeben hatte, überhaupt eine Antwort zu bekommen, kam der entscheidende Brief. Ich sollte vorsprechen. Das war kurz vor dem Abitur.
Aufgeregt fuhr ich dann einige Wochen später nach Berlin. Schon das war eine Sensation. Am liebsten wäre Linda mitgefahren. Und die ganze Schule.
„Pass gut auf dich auf“ , hatte Linda gesagt, nachdem ich im Abteil des D-Zuges ein Fenster heruntergedreht hatte und ihre Hand hielt, „die Menschen dort sind anders, als hier bei uns in Thüringen. Besonders die Männer. Fahr sofort nach der Prüfung wieder zurück.“
Ich versprach es. Ich hätte ihr auch den Himmel versprochen. Ich würde schon aufpassen. Ich war doch erwachsen.
Und in der Tat, unbeeindruckt von den tausend neuen Eindrücken der Großstadt, hatte ich nur ein Ziel: Die Schauspielschule. Doch als ich sie verließ, ergab ich mich der Faszination dieser Weltstadt. Ich stürzte mich in das Gewimmel der Massen, bewunderte die S-Bahn, die U-Bahn, die doppelstöckigen Omnibusse. Immer wieder stieg ich um in die laut quietschenden Straßenbahnen. Ich bestaunte die Autos, die Kinos, die Restaurants. Konnte mich nicht sattsehen an dem alles überflutenden Neonlicht, stürzte mich, fasziniert und erregt, in das Abenteuer Nochniedagewesen, keine Sekunde mehr gedenkend der mahnenden Worte meiner Mutter.
Das gefräßige Maul der Millionenstadt verschluckte mich wie ein lüsternes Ungeheuer.
In einer Tanzbar lernte ich einen jungen Mann kennen und verliebte mich auf den ersten Blick in ihn. Er war die Sünde einer Nacht. Er war der Traum dieser Nacht. Und so wie die Nacht sich verflüchtigt und dem Tag weichen muss, war mein Liebhaber am nächsten Morgen verschwunden. Doch er hatte ein Andenken hinterlassen, die Beute dieser lasterhaften Nacht. Johanna. Bis heute ist mir schleierhaft, wie ich dieser Magie verfallen konnte.
Aber schön der Reihe nach.
Ich betrat also die Bar, magisch angezogen von der Lichtreklame und der lauten rockigen Musik, die unaufhaltsam nach außen drang. Den Namen dieser Bar habe ich vergessen. Oder vielleicht auch nie gewusst.
Unschlüssig stand ich an der Tür. Was nun? Ich war noch nie in einer Bar gewesen. Na, jedenfalls wollte ich den aufregenden Tag mit einem Gläschen Wein enden lassen, bevor ich mit dem Nachtzug wieder nach Hause fahren würde.
Plötzlich starrte mich aus dem Gewühl auf der kleinen Tanzfläche ein Augenpaar an. Fast körperlich spürte ich es auf meinem Gesicht, dann runtergleiten über meinen Körper zu meinen Füßen.
‚Ein Glück‘, dachte ich in diesem Moment, ‚dass ich meine besten Schuhe angezogen habe.‘
Es waren rote Pumps. Passend zu meinem roten Kleid. Auch mein bestes. Und meine schwarze Lacktasche baumelte irgendwie verloren an meiner linken Hand. Und ich kam mir in diesem Augenblick auch etwas linkisch vor.
Die Augen schälten sich aus dem Gewühl, kamen näher. Immer näher. Die Glut in den dunklen Augen sprühte Funken. Blitzten in meine. Hielten sie fest. Ließen sie nicht mehr los. Zu den Augen gehörte natürlich ein Mann. Und was für einer. Mittelgroß. Sportliche Figur. Glattes, dunkles Haar bis zur Schulter. Anzug. Grau. Offenes graues Hemd. Kein Schlips.
Als er endlich vor mir stand, sagte er mit einer Stimme, die mir durch und durch ging:
„Siehst du aber süß aus. Kommst du mit an meinen Tisch. Da steht eine Flasche Wein. Die wartet schon auf dich.“
Ohne meine Antwort abzuwarten, nahm der Unbekannte meine Hand und führte mich zu seinem Tisch mit der Flasche Wein.
Wir kamen schnell ins Gespräch, schon nach kurzer Zeit waren wir so vertraut, als kennten wir uns schon ewig. Wir alberten herum und quatschten dummes Zeugs. Unterhielten uns über Gott und die Welt, wie man so schön sagt. Also über alles, was uns so bewegte. Literatur. Musik. Politik. Nur, was uns persönlich betraf, war tabu.
Und dann kam, was kommen musste. Obwohl ja gerade das ein Tabu für mich hätte sein sollen. Aber ich hatte alles vergessen. Die Schauspielschule. Linda. Das Nest in Thüringen. Für mich gab es nur noch ihn. Den Unbekannten. Wir fragten nicht einmal nach unseren Namen.
„Komm mit“, sagte der Mann. „Die Bar hat einige separate Zimmer.“
Er nahm unsere Gläser und die halb geleerte
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