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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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Bild von Lacan, Steenbergen zahlt, und dann kannst du tun und lassen, was du willst.«
    Florence wußte nicht, warum sie sich weigerte, Mertens’ Vorschlag anzunehmen, es war alles so einfach. Genausowenig wußte sie, warum er ihr das Angebot überhaupt machte.
    »Was ist jetzt?«
    Florence beobachtete die Wolken, wie sie sich zusammenzogen, vom Wind auseinandergetrieben wurden und den Blick weit nach Norden freigaben.
    »Was war eigentlich mit meinem Vater?« fragte sie plötzlich.
    »Wie bitte?«
    »Was habt ihr mit meinem Vater gemacht?«
    »Das hättest du ihn am besten selbst gefragt«, antwortete Mertens verletzend und winkte der Kellnerin: »Zahlen!« Dann sagte er zu Florence:
    »Du enttäuschst mich, wirklich, du hast nichts gelernt.«
    Er legte einen Schein auf den Teller mit dem Kassenbon.
    Florence wartete auf eine schon lange fällige Antwort.
    »Dein Vater hat bei einem riskanten Geschäft va banque gesetzt und verloren«, log Mertens. Er stand auf und sagte gefühllos:
    »Das ist alles!«
    Gleichzeitig reichte er Florence seinen Arm und führte sie zum Aufzug, Tränen liefen über ihr Gesicht.
     
    Lacan sprang frierend neben dem Kassenhäuschen des Zoologischen Gartens von einem Bein aufs andere. Der große Platz zwischen der Bahnhofshalle und dem Zoo bot dem Januarwind keinen Widerstand. Straßenlärm wehte aus der Stadt verzerrt nach Norden und fing sich in den blattlosen Baumkronen des Tiergartens. Unter der S-Bahn-Brücke warteten schmutzig-gelbe Doppeldecker der Verkehrsbetriebe, die Fahrer aßen ihre Pausenbrote. Eine Touristengruppe näherte sich, Lacan wich aus, um nicht zermalmt zu werden.
    Endlich hielt das Taxi mit Irene. Sie stand zögernd am Bordstein und sah nach allen Seiten. Lacan löste sich aus dem Schatten der Sträucher und lief auf sie zu. Sie umarmten sich lange, jemand fotografierte sie.
    Bernhard Lacan und Irene Rabbia gingen schweigend die Gehege entlang. Braungescheckte Springböcke schnupperten in die rußige Luft, ein Eisbär schwamm im Begrenzungsgraben und tauchte unter, Wisente glotzten wiederkäuend durch den Maschendraht. Lacan hatte den Arm um Irenes Schulter gelegt.
    »Warst du schon mal im Nachttierhaus?« fragte er.
    »Du kennst dich hier aus?«
    »Sicher«, grinste Lacan und befeuchtete mit der Zungenspitze seine spröden Lippen.
    Die in die Wände eingelassenen Terrarien waren fast dunkel, nur von der Decke schimmerte schwach ein blaues Notlicht – so hatten die ausgestellten Tiere die Illusion einer verkehrten Welt.
    Ein Gecko lauerte regungslos auf einem Baumstumpf nahe der Scheibe und beobachtete eine Motte, die flügelschlagend versuchte, durch das Panzerglas zu entkommen. Sie blieben stehen. Niemand sonst war in diesem Teil des Gebäudes. Als sie sich küßten, schnappte der Gecko nach der Motte, die mit ihren zarten Flügeln schlug und dann zwischen den mahlenden Kiefern des Jägers verschwand.
    »Ich bin in Schwierigkeiten«, sagte Lacan und löste sich aus der Umarmung.
    »Ich weiß.«
    »Aber deswegen wollte ich dich nicht sehen.«
    »Das hoffe ich«, sagte Irene.
    »Vielleicht muß ich Berlin für ein paar Wochen verlassen.«
    »Nur für ein paar Wochen?« fragte Irene, und Lacan erschrak, denn es hörte sich an wie: Das wird in diesem Fall nicht genügen.
    »Wie meinst du das?«
    Irene hakte sich bei ihm ein und zog ihn weiter. Der Gekko putzte sich.
    »Warum verlassen wir Berlin nicht für längere Zeit?«
    »Für längere Zeit?«
    »Warum nicht für immer?«
    Lacan starrte zur Decke. Das wäre das beste, dachte er und schüttelte den Kopf. »Wie stellst du dir das vor?«
    »Willst du?« fragte Irene, und es gab nur Ja oder Nein. Lacan umarmte sie, aber Irene drückte seinen Kopf sanft zur Seite und sah in seine Augen, so, daß Lacan nicht wegsehen konnte. Er nickte.
    »Wirklich?«
    »Ja!«
    Das war endgültig. Wenn nicht mit Irene, dann mit keiner, dachte Lacan, und zum Alleinsein ist niemand geboren.
    Ein Termitenhügel war als Querschnitt vor die Scheibe geschichtet. Unzählige Insektentiere krabbelten durcheinander, übereinander, schleppten Beute, begatteten sich in schwindelerregender Unordnung.
    Irene und Lacan sahen ihnen wortlos zu. Eine Schulklasse lärmte an ihnen vorbei. Dann war wieder Ruhe, nur das Deckenlicht summte leise.
    »Verrückt, nicht?« sagte Irene, die nur ein wenig kleiner war als Lacan. Sie faßte seine Hand.
    »Warum mußt du ein paar Wochen fort?«
    Lacan zögerte.
    »Mir mußt du es sagen!«
    Lacan erzählte ihr die

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