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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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»Mitch Holt, Chef der Polizei. Wie geht es Ihnen heute?«
    Fletcher wandte sich ab, um die Kellertür hinter sich zu schließen, ignorierte den Versuch nett zu sein, als würde das gegen seinen persönlichen Glauben verstoßen.
    »Es gibt ein paar Fragen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    Mitch steckte seine Hände in die Hosentaschen.
    »Ich habe bereits mit mehreren Polizisten geredet.«
    »Routinemäßig müssen wir noch einmal nachhaken«, erklärte Mitch. »Neue Fragen tauchen auf. Die Leute erinnern sich, nachdem der erste Cop weg ist. Wir wollen nichts übersehen.«
    Er lehnte sich an die Arbeitsfläche und schlug ein Bein übers 530
    andere. »Sie können sich setzen, wenn Ihnen das bequemer ist.«
    Offensichtlich gehörte Bequemlichkeit ebenfalls ins
    Sündenregister, Fletcher machte keine Anstalten, Platz zu nehmen. Er verschränkte seine knochigen Hände über der Brust, auf denen die Spuren seines Ausflugs in den Keller zu sehen waren. Der Diakon warf einen Blick auf diese Bescherung und runzelte die Stirn. »Ich habe die Kirchenbestände im Lager durchgesehen. Sie sind schon sehr lange da unten.«
    Mitch rang sich ein künstliches Lächeln ab und richtete sich auf. »Muß ein beachtlicher Keller sein unter so einem großen alten Haus. Was dagegen, wenn ich ihn mir mal ansehe? Diese alten viktorianischen Häuser faszinieren mich.«
    Fletcher zögerte eine Sekunde, bevor er die Tür öffnete. Dann stieg er noch einmal hinab in die Eingeweide des Pfarrhauses von St. Elysius.
    Mitch folgte und verkniff sich eine Grimasse bei dem
    Schimmelgeruch, der ihm entgegenschlug.
    Den Keller hatte er sich genauso vorgestellt – eine in Kammern unterteilte Höhle aus Backstein und brüchigem
    Zement. Balken mit Spinnwebengirlanden. Nackte Glühbirnen, die nur mangelhaftes Licht lieferten. In der Kammer unter der Küche hatte man den Wasserboiler, den Heizungsofen, den elektrischen Sicherungskasten und einen uralten Gefrierschrank installiert. Im nächsten Abteil stapelte sich Gerümpel – alte Fahrräder, Hunderte ramponierter Klappstühle, ein Stapel Klapptische, Reihen über Reihen von grüngestrichenen
    Fliegengittern, eine Schwadron kleiner rostiger Drahtkarren mit Krocketausrüstungen, ein Wald von Bambusangelruten.
    Der Raum, in den Fletcher ihn führte, war vollgestopft mit Statuen aus der Zeit, in der alle Heiligenbilder erstaunlich den angelsächsischen Vorfahren ähnelten und meist sogar echte Haare aufwiesen.
    Die modernden Relikte starrten blind in die Dunkelheit, mit 531
    abgeschabten, geborstenen Gesichtern und Gliedmaßen. Ein alter Altar und ein Taufbecken zeugten von Aufstieg und Fall der Beliebtheit billiger Plastikfurniere. An einem Wasserrohr war eine Kleiderstange befestigt, an der die Mode in Meß-
    gewändern der vergänglichen Jahre prangte. Die Kleidungsstücke verrotteten in der Feuchtigkeit auf ihren Bügeln. An drei Seiten des Raums zogen sich Regale bis zur Decke. In den Regalen und auf jedem anderen verfügbaren Platz stapelten sich Schachteln mit alten Kirchenakten und vergilbten Fotos, Moderne Bücher strömten einen dumpf-süßlichen Geruch aus.
    Albert Fletcher paßte auf eine seltsame Weise zu den
    vergessenen Relikten der Gläubigen vergangener Generationen.
    »Ich bin gerade dabei, Inventur zu machen«, gab er Auskunft,
    »und die alten Bücher und die Akten hier rauszuräumen, damit sie besser erhalten werden können.«
    Mitch runzelte die Stirn. »Das noch zusätzlich zu Ihren Pflichten als Diakon und Katechet? Ich weiß, daß Sie Josh Kirkwoods Lehrer im Religionsunterricht waren, Sie
    unterrichten ja die Ministranten – ein sehr großzügiger Dienst.«
    »Mein Leben gehört der Kirche.« Fletcher faltete die Hände vor seiner Brust, als würde er sich anschicken auf die Knie zu fallen und zu beten. »Alles andere steht an zweiter Stelle.«
    »Das ist zweifellos bewundernswert«, murmelte Mitch. »Ich habe mich gefragt, Mr. Fletcher, ob Ihnen als sein Lehrer vielleicht irgendwelche Veränderungen in Joshs Verhalten während der letzten Wochen aufgefallen sind?«
    Fletcher blinzelte, der Glanz seiner Augen erlosch, als hätte man ein Licht in seinem Inneren ausgeknipst. »Nein.« Er kniff seinen Mund wieder bis auf den vorherigen Strich zusammen.
    »War er ungewöhnlich still, oder hat er irgendein Problem erwähnt, irgend jemanden, der ihn vielleicht belästigte?«
    »Die Kinder kommen zum Unterricht zu mir, Chief Holt. Zur Beichte gehen sie zu Pater McCoy.«
    532
    Mitch

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