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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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daß Fletcher sich daheim aufhielt, aber das hing vielleicht damit zusammen, wie weit Albert tatsächlich abgedriftet war. Auf jeden Fall hatten sie einen Durchsuchungsbefehl. Wenn sie Fletcher nicht erwischten, konnten sie sich wenigstens umschauen.
    Er zog die Sturmtür auf und klopfte kräftig an die innere.
    »Mr. Fletcher?« rief er. »Polizei! Wir haben einen Durchsuchungsbefehl!«
    Langsam zählte er bis zehn. Megan würde ihm die Haut
    abziehen, weil er das ohne sie machte, aber sie war nicht im Büro gewesen, als die Meldung reinkam, und er konnte nicht warten. Er hob sein Walkie-Talkie und funkte Noogie an.
    »Zieh deine Nummer ab, Noogie.«
    »Zehn-vier, Chief.«
    Mitch fand sich inzwischen etwas zu alt, um Türen mit
    irgendeinem Teil seiner Anatomie aufzubrechen. Sie hatten einen Rammbock im Kofferraum von Dietzs Cruiser, aber mit Noga besaßen sie etwas Größeres und Besseres. Seit dem jähen Ende seiner Footballkarriere am College, dank eines kaputten 578
    Knies, war Noga immer begeistert, wenn er sich gegen
    jemanden oder etwas werfen konnte.
    Das scharfe Krachen splitternden Holzes durchschnitt die frische Morgenluft. Sekunden später öffnete Noga die Haustür von innen.
    »Was immer Sie verkaufen, ich brauche nichts.«
    Mitch betrat das kleine Foyer. »Wirklich? Diesen Monat hätte ich ein Sonderangebot übertriebener Gewalt, zwei für eins. Jeder, der mir blöd kommt, kriegt den Arsch zweimal aufgerissen.«
    Nogas dicke Augenbrauen bäumten sich wie zwei wollige
    Raupen. Er ging zurück ins Wohnzimmer und winkte Mitch herein. »Willst du oben oder unten?«
    »Oben. Vergiß den Keller nicht.«
    Mitch stieg langsam die Treppe hoch, wohlwissend, wie
    verletzlich er war, falls Fletcher da oben mit einem
    Kerzenleuchter oder einer Uzi auf ihn lauerte. Keiner konnte voraussehen, wozu sich Fletcher noch getrieben fühlen mochte.
    Keiner konnte wissen, was er vielleicht schon vollbracht hatte.
    Vielleicht hatte er schon vor Jahren den Verstand verloren, es aber geschafft, bis jetzt nicht total auszurasten. Bis er Hannah in den Armen des Priesters erblickte.
    Der Lohn der Sünde ist der Tod. Sündige Tochter Evas.
    Hatte er sie all diese Zeit gehaßt, weil sie sich in die Behandlung seiner Frau eingemischt hatte, weil sie versucht hatte, die Krankheit zu kurieren, die Doris Fletcher schließlich umbrachte? Hatte er Doris selbst getötet?
    »Mr. Fletcher? Polizei! Wir haben einen Durchsuchungsbefehl!«
    Sie hatten auch einen Haftbefehl, obwohl Mitch bezweifelte, daß Pater Tom Anzeige erstatten würde. Aber so konnten sie ihn für den Augenblick dingfest machen. Die Tatsache, daß Fletcher mit der Waffe geflohen war, hatte Richter Witt genügt, um einen 579
    Haftbefehl auszustellen.
    Ein Bodenbrett knarzte lauten Protest, als Mitch den schmalen Korridor betrat. Direkt vor ihm lag ein Fenster, das buttergelbes Morgenlicht durch eine doppelte Schicht durchsichtiger weißer Vorhänge vor den Fenstern zur Straße hereinließ. Zu beiden Seiten des Ganges führten identische weiße Türen in
    architektonisch gleiche Schlafzimmer.
    Er nahm sich zuerst die linke Seite vor, trat vorsichtig in das Zimmer, das auf mehr als eine Weise leer war. Jedes Stück Lebendigkeit, das es zu Doris Fletchers Lebzeiten besessen hatte, war radikal entfernt worden. Mitch spürte instinktiv, daß die dürftige Einrichtung nur aus der Zeit nach dem Tod der Frau stammen konnte. Das Bett war eine schmale Pritsche mit einer Armeedecke, die so fest gesteckt war, daß man Bälle darauf springen lassen konnte. Auf dem Nachttisch gab es eine Lampe und eine abgewetzte schwarze Bibel. Das Mobiliar bestand lediglich aus einer Kommode, bar jeglicher persönlicher Stücke.
    Die einzige Dekoration an den kalkweißen Wänden bildeten ein Kruzifix und ein sepiafarbener Druck von Jesus, der mit alten Palmwedeln geschmückt war.
    Das Zimmer auf der anderen Seite des Gangs ließ sich nicht öffnen, eine Situation, die Mitchs Stiefel bereinigte. Die Tür schwang auf und knallte gegen die Wand. Unten reagierte Noogie mit einem Schrei auf das Geräusch, aber Mitch war zu schockiert, um zu antworten.
    Verdunklungsvorhänge blockierten alles Licht und jeden Einblick der Außenwelt, aber der Raum erstrahlte im Glanz vieler Kerzen, ihr wächserner Duft lag schwer in der Luft. Eine Reihe von Leuchtern zog sich die Wand entlang, die Schatten der Kerzenflammen flackerten. Kerzen in gläsernen Leuchtern –
    einige durchsichtig, einige rot, einige blau –

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