Sünden der Nacht
den Beton. Wright grunzte, konnte nicht mehr atmen.
»Du bist verhaftet, du Dreckschwein«, fauchte Mitch und richtete sich keuchend über ihm auf. Er hielt Wright die Smith
& Wesson direkt unter seine blasse Nase, der Lauf zitterte wie der Schwanz einer Klapperschlange: »Das Spiel ist aus, Garrett, schachmatt!«
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Kapitel 39
TAG 11
21 Uhr 51, -7 Grad, Windabkühlungsfaktor: -14 Grad
»Was ist hier los?« Karen Wright stand voller Entsetzen in der Tür, die von der Garage in ihre Küche führte.
»Muß ein Irrtum sein«, sagte ihr Mann. Er lag bäuchlings auf dem Betonboden der Garage, die Hände mit Handschellen auf den Rücken gefesselt. Mit einer Kopfdrehung warf er Mitch einen bohrenden Blick zu, der dastand und immer noch mit der Smith & Wesson auf ihn zielte.
»Ja«, bellte Mitch. »Ein Irrtum – und zwar deinerseits.«
Karens Rehaugen schwammen vor Tränen. Sie zupfte an
ihrem weiten rosa Pullover. »Ich versteh das nicht. Garrett hat doch überhaupt nichts getan. Er fährt ja nicht mal zu schnell!«
Mitch blickte kurz zu ihr hinüber. Er hatte schon viele Berichte über Fälle gelesen, in denen eine Frau jahrelang mit einem Mann brav verheiratet war, ohne zu ahnen, daß er ein geheimes Leben als Vergewaltiger, Mörder oder Kinderschänder führte. So verhielt es sich ohne Zweifel auch bei Karen Wright. Sie hatte in der Freiwilligenzentrale gearbeitet, Handzettel per Post verschickt, mittels denen man Josh finden wollte, während ihr Mann diesen Horror inszenierte. Trotzdem mußte geprüft werden, ob sie über diese Geschichte ihres Mannes im Bilde war oder nicht. Mitch konnte sich nicht vorstellen, daß sie wirklich kämpfen würde, sie sah nämlich nicht sehr widerstandsfähig aus.
»Garrett, was geht hier vor?« rang sie die Hände. »Ich versteh das nicht!«
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»Tut mir leid, Ma’am«, fuhr Mitch dazwischen. »Wenn Sie bitte im Haus warten würden …«
»Garrett!« schluchzte sie.
Das große Garagentor stand offen, ein überdimensionales Fenster zur Straße. Es ließ Wind und Schnee herein und gestattete einen Ausblick auf die Streifenwagen, die die Straße heranfegten, gefolgt von Mitchs Explorer. Alle Wagen näherten sich ohne Lichter und Sirenen. Mitch hatte ausdrücklich Stille angeordnet, als er den Diensthabenden über sein Handy
adressierte. Kein Code oder Verbrechen wurde erwähnt, er hatte Noogie, Dietz, Stevens namentlich angefordert, und einen weiteren Streifenwagen zum Lakeshore Drive 91 befohlen.
Wrights Zuhause! Mitch nahm an, er hatte seinen Saab aus der Garage holen wollen und fliehen. Aber damit war es Sense: Heute abend siegte die Gerechtigkeit!
Megan saß im Explorer und beobachtete, wie Noogie Garrett Wright zum Polizeiwagen brachte. Sie nahm den Mann ins Visier, der sie geschlagen und gequält, sie alle gequält hatte. Als er knapp eineinhalb Meter von ihr entfernt war, drehte er sich um und sah sie direkt an.
Keinerlei Gefühlsregung war in dem Gesicht zu erkennen, das halb im Schatten lag und halb im diffusen Licht, das von oberhalb der Garagentür abfiel. Er starrte sie einfach an. Dann klatschte Noogies Pranke auf seine Schulter und drückte ihn in den Rücksitz.
Megan zitterte am ganzen Körper und konnte nichts dagegen tun, obwohl es nicht an der Kälte lag. Noogie hatte sie in Wolldecken gewickelt und den Motor laufen lassen, mit voll aufgedrehter Heizung.
Sie wehrte sich gegen einen Krankenwagen, dachte gar nicht daran, sich in die Notaufnahme abschieben zu lassen, ohne Gewißheit, daß Mitch Garrett Wright tatsächlich erwischt hatte 674
… ohne zu wissen, wie das Gefecht ausgegangen war.
Dietz und Stevens kamen aus der Garage, mit Karen Wright in ihrer Mitte; sie schluchzte hemmungslos und mußte von den beiden gestützt werden. Wrights unheimliches Flüstern trieb durch Megans Kopf – wir … wir … wir … niemals ich, immer dieser Plural. Aber sie konnte sich Karen nicht als die andere Hälfte des Teams vorstellen. In dieser körperlosen Stimme hatte zuviel Verachtung für Frauen ganz allgemein gelegen. Du bist auch nur eins von diesen dämlichen Ludern!
Die Erinnerung an den Schlag, der dieser Bemerkung folgte, ließ sie zusammenzucken.
»Verflucht noch mal, Megan, du gehörst ins Krankenhaus!«
Mitch hatte die Beifahrertür geöffnet und fixierte sie mit grimmiger Miene. Aber was sie in seinen Augen fand, war nicht Zorn.
»Ich wollte es nur wissen«, flüsterte sie, »mußte sehen, ob du ihn wirklich hast.«
Etwas verkrampfte
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