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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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über zwölf Stunden in der Steuerkanzlei gearbeitet, die er mit seinem alten Collegefreund Steve Christianson als Partner betrieb.
    Müdigkeit zeichnete seine Züge, die Fältchen um seine Augen und seinen Mund waren ein bisschen ausgeprägter als sonst, aber es tat seiner Attraktivität keinen Abbruch. Paul war nur drei Zentimeter größer als sie, schlank und durchtrainiert, hageres Gesicht, starkes Kinn. Sein Nadelstreifenhemd wies
    Knitterfalten auf, aber mit der Krawatte, die lose um seinen Hals hing, sah er nicht verludert, sondern sexy aus. Sie schaute an sich hinunter und kam sich vor wie etwas, das aus den Tiefen des Wäschekorbs geklettert war.
    »Wir hatten einen Notfall im Krankenhaus«, sagte sie leise und sah ihrem Mann in die Augen. »Ich war zu spät dran, als ich Josh abholen wollte. Carol hat für mich in der Eishalle angerufen, um eine Nachricht zu hinterlassen –, aber als ich hinkam, war er weg. Ich habe überall gesucht und konnte ihn nicht finden. Die Polizei ist jetzt unterwegs und sucht ihn.«
    Pauls Gesicht verzerrte sich vor Wut. Er setzte sich auf. »Du hast unseren Sohn vergessen? «fragte er mit messerscharfer Stimme.
    »Nein …«
    »Verdammt«, fluchte er und stand auf. »Dieser Scheiß-Job ist dir wichtiger als …«
    »Ich bin Ärztin! Eine Frau lag im Sterben!«
    »Und jetzt hat sich irgendein Irrer unseren Sohn geschnappt.«
    »Das weißt du nicht!« schrie Hannah. Sie hasste ihn, weil er ihre Ängste in Worte gefasst hatte.
    »Und wo ist er dann?« schrie Paul, stemmte die Hände auf den Tisch und beugte sich zu ihr.
    »Ich weiß es nicht!«
    »Hört auf!« schrie Natalie und stürmte in die Küche. »Hört 93
    sofort auf, ihr zwei!« Sie fixierte die beiden mit ihrer bedrohlichsten Miene, die schon manchen Cop in Deer Lake in die Knie gezwungen hatte.
    »Da oben liegt ein kleines Mädchen und weint sich in den Schlaf, weil seine Eltern streiten. Jetzt ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um sich gegenseitig fertigzumachen!«
    Paul sah sie wütend an, sagte aber nichts. Hannah wollte den Mund öffnen, aber da klingelte es an der Haustür. Sie rannte durchs Wohnzimmer, stolperte in den Eingang und riss die Tür mit wild hämmerndem Herzen auf.
    Mitch Holt stand auf dem Treppenabsatz, mit ernster Miene und schmerzverdüsterten Augen.
    »Nein«, flüsterte sie. »Nein!«
    Mitch kam herein und nahm ihren Arm. »Hannah, wir werden alles tun, um ihn zu finden.«
    »Nein«, flüsterte sie wieder, schüttelte den Kopf, obwohl sich alles drehte. »Nein. Sag’s mir nicht. Bitte, sag’s mir nicht.«
    Keine Ausbildung der Welt konnte einen Cop auf so etwas vorbereiten, dachte Mitch. Es gab keine Verhaltensregeln für das Zerschmettern eines Elternlebens. Nichts konnte den Schmerz dämpfen. Es gab keine adäquaten Trostworte, keine Entschuldigung, die genügen könnte. Nichts. Er konnte in dieser Situation kein Cop sein, konnte keinen Abstand dazu gewinnen, selbst wenn das seinen eigenen Kummer gelindert hätte. An erster Stelle war er Vater, an zweiter Freund.
    Erinnerungen und Schuldgefühle taten ein übriges, um seine letzte eventuell noch vorhandene professionelle Zurückhaltung schwinden zu lassen. Hinter Hannah sah er Paul und Natalie stehen, sie warteten mit hoffnungslosen, betroffenen Gesichtern.
    »Nein«, flüsterte Hannah kaum hörbar, mit
    tränenüberströmten, verzweifelten Augen. »Bitte, Mitch.«
    »Josh ist entführt worden«, sagte er mit leiser, rauher Stimme.
    94
    Hannah brach zusammen, Mitch fing sie auf und hielt sie fest.
    »Es tut mir leid, meine Liebe«, murmelte er. »Es tut mir so leid.«
    »Großer Gott«, murmelte Natalie. Sie ging an ihnen vorbei und schloss die Haustür gegen die bittere Kälte der Nacht, aber die Kälte, die über das Haus gekommen war, hatte nur wenig mit dem Wetter zu tun. Sie ging durch Mark und Bein, und ließ sich nicht vertreiben.
    Paul trat vor und zerrte eine von Mitchs Händen von Hannahs Schulter. »Sie ist meine Frau«, sagte er. Sein verbitterter Ton überraschte Mitch.
    Paul zog Hannah weg, und Mitch ließ seine Arme fallen. Aber Paul machte keinerlei Anstalten, ihr dieselbe Art Trost oder Unterstützung zu spenden. Oder lag es nur daran, dass Hannah von ihm wegrückte, sonst hätte er es vielleicht versucht. Wie dem auch sei, irgendwie schien es seltsam, aber was in dieser Nacht war schon nicht unwirklich? In Deer Lake wurden keine Kinder entführt. Das BCA hatte keine weiblichen Field Agents.
    Mitch Holt verlor nie die

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