Sünden der Nacht
»Den Gerüchten nach war Marty Wilhelm für Leos Job vorgesehen«, sagte er leise. »Kennst du ihn? Er ist bei Special Cops.«
Megan schüttelte den Kopf.
»Er ist mit Hanks Tochter verlobt, et cetera et cetera …«
»Oh, wunderbar.«
»Laß dir deswegen keine grauen Haare wachsen. Hank kennt seinen Job, und er wird ihn erledigen.« Er strahlte sie mit seinem Surferlächeln an. »Es hilft dir zwar nicht viel, aber ich bin froh, daß du den Posten gekriegt hast. Du verdienst ihn.«
»Im Augenblick bin ich mir nicht sicher, ob das ein
Kompliment oder ein Fluch ist.«
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»Es ist ein Kompliment – und ich sag das nicht nur, damit ich dich dazu kriege, mit mir auszugehen. Das wird nur der Bonus sein.«
»Träum schön weiter, Larkin.«
Abfuhren tangierten ihn nicht. Er fuhr fröhlich fort: »Und ich bin nicht der einzige, der dir die Stange hält, Irenmädel. Eine Menge Leute finden es toll, daß du befördert worden bist. Du bist ein Pionier.«
»Ich will kein Pionier sein, sondern ein Cop. Manchmal glaube ich, das Leben wäre einfacher, wenn wir alle
geschlechtsneutral wären.«
»Ja, aber wie würden wir dann entscheiden, wer beim Tanzen führt?«
»Wir würden uns abwechseln«, sie schob eine der
Eingangstüren auf.
»Ich habe keine Lust, den Rest meines Lebens rückwärts zu hopsen.«
Sie traten hinaus in die Kälte, und sein Lächeln erstarb. »Wie viele Typen können sie von Regional für diese Ermittlung entbehren?«
»Vielleicht fünfzehn.«
»Du kriegst mindestens zehn weitere Freiwillige. So was bringt die Leute auf Trab. Weißt du, wenn die Kinder nicht mal mehr auf den Straßen einer Stadt wie dieser sicher sind … Und wenn wir den Abschaum, der so eine Scheiße abzieht, nicht erwischen, was sind wir dann für eine Polizei?«
Verzweifelte, verängstigte Cops. Megan behielt die Antwort für sich und sah sich um. Am Ende der Straße brannten alle Lichter auf den Veranden, und sie sah ein paar von Mitchs Uniformierten, die von einem Haus zum anderen stapften. In der anderen Richtung huschten die Lichtkegel der Taschenlampen wie Glühbirnen über die dunkle Jahrmarktsfläche. Über ihnen 125
wurde die Stille der Nacht vom Röhren der Hubschrauber durchbrochen. Und irgendwie da draußen hielt eine gesichtslose Person das Schicksal von Josh Kirkwood in ihrer Hand.
Verzweiflung und Entsetzen waren milde Ausdrücke für die Gefühle, die dieser Gedanke auslöste.
TAG 2
4 Uhr 34, -11 Grad
Paul fuhr seinen Celina in die Garage, stellte den Motor ab und blieb einfach benommen sitzen, den Blick starr auf die Fahrräder, die den Winter über an der Wand hingen, gerichtet.
Zwei Mountainbikes und das neue Geländerad, das Josh zum Geburtstag bekommen hatte. Das Geländerad war schwarz, mit grellvioletten und gelben Spritzern. Die Räder sahen aus wie große schwarze Augen, die seinen Blick erwiderten.
Josh. Josh. Josh.
Die Geländesuche war um 4 Uhr eingestellt worden, und man hatte die Leute aufgefordert, sich um acht Uhr in der alten Feuerwehrhalle zu versammeln. Durchgefroren bis auf die Knochen, erschöpft und entmutigt waren die Deputys, die Straßenpolizisten und die Freiwilligen zurück zum Parkplatz bei der Eishalle getrampelt.
Paul sah sich selbst wie in einem Film – wütend
gestikulierende Arme, sein wutverzerrtes Gesicht, das Mitch Holt anbrüllte.
»Was, zum Teufel, ist hier los? Warum stellt ihr die Suche ein? Josh ist noch da draußen!«
»Paul, wir können von den Leuten nicht mehr als das
Menschenmögliche verlangen.« Sie standen neben Holts
Explorer, und Holt versuchte, sich zwischen Paul und einzeln verbliebenen Zuschauern auf dem Parkplatz zu stellen. »Sie sind 126
alle schon die ganze Nacht unterwegs, völlig durchgefroren und todmüde. Es ist das beste, wenn wir jetzt Schluß machen, uns ein bißchen ausruhen und bei Tageslicht neu formieren.«
»Du willst schlafen?« schrie Paul fassungslos. Die ganze Welt sollte ihn hören. Köpfe drehten sich in ihre Richtung. »Du überläßt meinen Sohn irgendeinen Irren da draußen, damit die Leute nach Hause gehen und schlafen können? Das ist
unglaublich!«
Diese Worte hatten die Presseleute gehört, die noch nicht in ihre warmen Motelzimmer gegangen waren, und sie hatten sich auf ihn gestürzt wie ein Schwarm Moskitos auf frisches Blut.
Holt war außer sich vor Wut gewesen, als sich dadurch eine spontane Mini-Pressekonferenz ergab, aber das war Paul scheißegal. Er wollte, daß seine Empörung aufgezeichnet
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