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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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Taschentuch an und runzelte die Stirn.
    »Es ist sauber«, scherzte er und drückte kurz ihre Schulter.
    »Ehrlich.«
    Sie schniefte und hob den Kopf. »Ich hab mir gerade das Monogramm angesehen. P?«
    »Weihnachtsgeschenk von einem Gemeindemitglied. P für
    Pater Tom.«
    Diese rührend naive Geste trieb ihr erneut die Tränen in die Augen. Sie benutzte das Taschentuch und schneuzte sich vorsichtig die Nase. Für eine Weile blieben sie schweigend sitzen.
    Die Nacht war angebrochen, die Temperatur sank merklich. Das Außenwarnlicht stellte sich automatisch an. Es strahlte hell in der Dunkelheit und wehrte Gefahren ab. Was für ein schlechter Witz.
    »Sie haben ein Recht auseinanderzubrechen, Hannah«, sagte Tom leise. »Wir übrigen sollten Sie aufbauen und zusammenhalten. So ist das gemeint.«
    Er verstand es nicht, dachte sie. Aufbauen und zusammenhalten war immer ihre Aufgabe gewesen. Und jetzt, wo sie diejenige war, die Hilfe brauchte, starrten alle sie ratlos an.
    »Gibt’s schon irgend etwas Neues?«
    Hannah schüttelte den Kopf. »Ich fühle mich so ausgeliefert, so nutzlos. Paul kann wenigstens mit dem Suchtrupp losgehen.
    Ich kann nur warten … und grübeln. So muß die Hölle sein. Es gibt nichts Schlimmeres als das, was seit den letzten
    vierundzwanzig Stunden meinen Kopf zermartert.«
    Sie erhob sich langsam, stieg die Treppe hinunter zur
    Gartentür und starrte durch das Fenster hinaus in die Nacht.
    Schwaches gelbes Licht sickerte durch das Küchenfenster in den Schnee. Gizmo lag in dem bernsteinfarbenen Rechteck, ein riesiger, regloser Klumpen Zottelfell. Hinter dem Hund zeichnete sich der Schatten der Schaukel ab, schwarz auf weiß, 179
    dann verschmolz der Garten mit den dichten Wäldern, die das Nordende des Sees umgaben und dem ganzen Viertel ein Gefühl von Abgeschiedenheit verliehen.
    »Ich hab meine Zeit als Assistenzarzt im Hennepin County Medical Center absolviert«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Das ist eine harte Notaufnahme in einem miesen Viertel. Ich habe viel gesehen – was Leute sich gegenseitig antun können –, was Leute sogar mit Kindern anstellen ….«
    Die Worte verhallten. Sie starrte aus dem Fenster, aber Tom spürte, daß sie einen anderen Ort sah, eine andere Zeit. Ihr Gesicht war angespannt und blaß. Er stellte sich neben sie und wartete still, geduldig.
    »… Unsagbare Dinge«, flüsterte sie. Trotz des übergroßen Mantels merkte er, daß sie schwer atmete, am ganzen Körper zitterte. »Und ich denke an Josh …«
    »Tun Sie das nicht«, verbot er ihr.
    Sie sah ihn an und wartete. In ihren Augen fehlte jegliche Hoffnung, daß er etwas sagen würde, was ihr Aussichten verbessern könnte. In seinen Jahren als Priester hatte er sich nie so ohnmächtig gefühlt, so schlecht ausgerüstet, die Not eines Verzweifelten zu lindern. Sie saß bloß zusammengesunken da, die großen Augen der Dunkelheit unergründlich, das schöne Gesicht schattenverhangen.
    »Das wird nicht helfen«, sagte er schließlich. »Sie quälen sich nur unnötig.«
    »Ich verdiene es.«
    »Sagen Sie das nicht.«
    »Warum nicht? Es ist doch wahr. Wenn ich ihn rechtzeitig abgeholt hätte, wäre er jetzt bei uns.«
    »Sie haben versucht ein Leben zu retten, Hannah.«
    »Das hat Ihnen Kathleen gesagt, nicht wahr?« Er gab keine Antwort.
    180
    Das brauchte er nicht, sie kannte Kathleen nur zu gut. »Hat sie Ihnen auch erzählt, daß ich gestern abend zweimal versagt habe?
    Ida Bergen ist gestorben, und ich hab obendrein Josh verloren.«
    »Sie werden ihn finden. Daran müssen Sie glauben, Hannah.
    Sie müssen auf Ihren Glauben vertrauen.«
    »Ich habe darauf vertraut, daß so etwas nie passieren würde«, sagte sie verbittert. »Der Glaube ist mir grade abhanden gekommen.«
    Er konnte es ihr nicht verdenken. Eigentlich hätte er sie wohl dazu bringen müssen, diese Aussage zurückzunehmen. Er hätte die gute alte katholische Keule der Schuld schwingen sollen, aber entschied sich dagegen. In Zeiten wie diesen hatte er genug Mühe damit, seinen eigenen Glauben aufrechtzuhalten. Es mangelte ihm an Verlogenheit, um andere zu maßregeln.
    Mit einem Mal machte sich bei Hannah wieder Erschöpfung breit. Sie seufzte und strich mit ihren Fäustlingen über Gesicht und Haare.
    »Tut mir leid, Pater«, flüsterte sie. »Ich sollte nicht …«
    »Entschuldigen Sie sich nicht für das, was Sie fühlen, Hannah.
    Sie haben ein Recht zu reagieren.«
    »Und mit Gott zu hadern?« Sie kniff den Mund zusammen, und frische

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