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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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    20 Uhr 41, -9 Grad
    Hannah warf einen Blick auf das Notizbuch, wurde schneeweiß und ließ sich in den nächsten Stuhl fallen. Es war Joshs, keine Frage. Sie kannte es gut. Er nannte es ein ›Denkheft‹ und trug es immer bei sich – jedenfalls bis jetzt.
    »Er hatte es verloren«, wisperte sie und strich mit den Fingern über den Plastikbeutel. Sie wollte das Buch berühren. Etwas von Josh. Etwas, das ihnen der Kidnapper zugeworfen hatte. Um anzugeben. Ein grausamer Beweis seiner Macht.
    »Was soll das heißen, er hatte es verloren?« Mitch kniete sich neben sie, versuchte sie dazu zu bringen, ihn anzusehen und nicht das Notizbuch. »Wann?«
    »Am Tag vor Thanksgiving. Er war in Panik. Ich hab ihm gesagt, er hätte es sicher in der Schule vergessen. Aber er hat geschworen, daß es dort nicht sein könnte. Wir haben das ganze Haus auf den Kopf gestellt auf der Suche danach.«
    Sie erinnerte sich genauestens. Paul war vom Squash nach Hause gekommen und hatte einen Tobsuchtsanfall gekriegt angesichts des Chaos. Seine Familie würde zum Thanksgiving kommen. Er wollte ein perfektes Haus, wollte den Verwandten seinen Erfolg unter die Nase reiben. Er hatte keine Zeit damit verschwenden wollen, ein dämliches Notizbuch zu suchen, das man seiner Meinung nach spielend ersetzen könnte.
    Hannah sah sich jetzt die kleine Kostbarkeit an, wollte das Heft an ihre Brust drücken und wiegen, als wäre es Josh selbst.
    Sie hätte gerne Paul gefragt, wie er jetzt über Joshs dämliches 187
    Notizbuch dachte, aber Paul mußte erst einmal nach Hause kommen. Wahrscheinlich war er von der Suche direkt zur Gebetswache gegangen – was sie einfach nicht konnte. Pater Tom hatte es verstanden, Paul nicht!
    »Er war tagelang furchtbar aufgeregt«, erklärte sie nun. »Es war wie ein Stück Ich zu verlieren.«
    Megan tauschte einen kurzen Blick mit Mitch. »Er muß es aber wiedergefunden haben«, sagte sie. »Gestern nacht muß er es bei sich gehabt haben.«
    Hannah schüttelte den Kopf, ohne den Blick von dem Buch auf ihrem Schoß zu wenden. »Hier ist es nicht zum Vorschein gekommen. Er hätte es mir gestimmt gesagt, wenn er es
    gefunden hätte.«
    Lily linste um den Stuhl herum, griente ihre Mutter
    verschmitzt an, mit großen Augen und zerzausten Löckchen. Sie entdeckte das Notizbuch und zeigte quietschend vor Freude auf das Bild von Snoopy auf dem Umschlag.
    »Mama! Josh!« krähte sie und griff nach dem vertrauten Gegenstand.
    Mitch nahm den Plastikbeutel und schaffte ihn aus ihrer Reichweite.
    Megan nahm ihm den Beutel ab: »Ich geb das meinen Leuten.
    Dann ist es gleich morgen früh im Labor.«
    Mitch blieb noch, spendete ein paar Worte des Trostes und einige wenige der Hoffnung. Hannah schien benommen, wohl ein Segen, dachte er. Als er ging, saß sie mit Lily auf dem Schoß in einem Sessel, und ein Polizist wachte in der Küche.
    Megan erwartete ihn bei seinem Wagen. Sie war in einem Streifenwagen mit Joe Peters zur Schule gekommen, dem
    Beamten, der ihr bei der Befragung der kleinen Hockeyspieler geholfen hatte. Jetzt mußte sie irgendwie zurück ins
    Stadtzentrum, wo sie ihren Lumina abgestellt hatte.
    188
    Die Durchsuchung des Schulgeländes war frustrierend und ergebnislos verlaufen. Soweit man es beurteilen konnte, hatte das Notizbuch eine Zauberhand ans Licht befördert. Das gesamte Schulpersonal war mit Mitch in der Cafeteria gewesen
    – Zeugen gab es nicht. Jeder hätte einfach neben dem Explorer anhalten und das Notizbuch ablegen können, der Täter hätte nicht einmal aus dem Wagen steigen müssen.
    Aalglatt, einfach, diabolisch. Der Zorn gerann wie saure Milch in seinem Magen, als Mitch in seinen Truck stieg und die Tür zuschlug.
    »Verfluchter Scheißkerl!« fauchte er und hämmerte mit der Faust auf das Lenkrad. »Ich fass es nicht – das Ding einfach auf die Haube meines Wagens zu werfen. Da, Freundchen, jetzt schau mal, ob du einen Beweis findest! Scheiße!«
    Wie einen Fehdehandschuh, den man ihm vor die Füße
    geknallt hatte, dachte er, und bei dem Gedanken drehte sich ihm der Magen um. Das machte das Verbrechen zum Spiel. Fang wich, wenn du kannst. Ein Verstand, der so arbeitete, mußte verfault sein und zugeschüttet von Überheblichkeit. Er war sich seiner Sache so sicher, daß er glaubte, er könne ihnen einen Knochen in den Schoß werfen und sich in aller Seelenruhe davonmachen – genau das hatte er getan!
    »Ich will dieses Schwein kriegen«, knurrte er und drehte den Schlüssel im Zündschloß.
    Megan

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