Sündenjagd: Deadly Sins 1 - Roman (German Edition)
Es geschah jetzt. Was konnte sie schon gegen ihre Mutter und das Böse, das sie heraufbeschworen hatte, ausrichten? Wie sie besiegen? Allein?
Andererseits – wieso nicht?
Moira war sich sicher, dass Fiona genau jetzt – in diesem Moment – auf den Klippen war und das zu Ende führte, was sie vor zwei Monaten angefangen hatte. Vor zwei Monaten? Fiona strebte schon ihr ganzes Leben – seit achtundvierzig Jahren –
nach Unsterblichkeit und führte lediglich die Reise fort, die mit den ersten Hexenzirkeln in der Antike begonnen hatte. Sie war aber die Erste, die dem Ziel so nahe kam.
»So ein Mist!«, murmelte Moira. »Das wird schnurstracks in ihrem Kopf landen.« Sie durfte sie nicht gewinnen lassen.
Sie glitt mit ihrem blauen T-Shirt und der schwarzen Unterhose unter den verschlissenen Laken hervor. Sie schaltete die Lampe auf dem Schreibtisch ein, zog ihre Jeans an und warf ihr verschwitztes T-Shirt in eine Plastiktüte.
Wie zum Teufel sollte sie ihre Mutter aufhalten? Sie war auf sich allein gestellt, hatte nicht mehr als ein paar Hilfsmittel zur Verfügung und besaß zu wenige Informationen, um gegen Fiona kämpfen zu können. Pater Philip hatte nicht herausgefunden, was sich hinter dem Tor verbarg, und ohne dieses Wissen konnte Moira den Teufel genauso gut persönlich mit Weihwasser besprühen. Das Ergebnis wäre lediglich ein Zischen in einem apokalyptischen Inferno.
Sie musste verhindern, dass Fiona das Ritual vollzog, denn es würde in einem Mord enden. Wie immer.
Die Narbe an ihrem Hals brannte.
Moira machte ihren BH zu und zog sich einen schwarzen Rollkragenpullover über den Kopf. Dann schlüpfte sie in ihre maßgeschneiderte Lederjacke, die Rico ihr geschenkt hatte. Die mit den besonderen Taschen für besondere Dinge.
»Ich bin kein Jäger«, hatte sie zu ihm gesagt und die Jacke von sich gehalten, als würde sie brennen.
»Nein, du bist eine Jägerin«, hatte Rico geantwortet und ihr Kinn angehoben. »Despero caveat, mei amica. Verzweiflung lässt sie herein. Verzweiflung bedeutet Hoffnungslosigkeit, Hoffnung gibt es aber immer.«
Wut schürte Moiras Angst, beides heftige Gefühle, die gegen sie verwendet werden konnten. Sie hatte durch ihren Mangel an Kontrolle schon viel Lehrgeld zahlen müssen – so viel, dass
sie jetzt innehielt und tief durchatmete. Sie wusste, dass heute Abend mehr auf dem Spiel stand als nur ihr Leben.
Sollte sie scheitern, würden die Hexenzirkel, unterstützt von den Dämonen an ihrer Seite, noch stärker, noch mächtiger werden. Der Orden St. Michael würde in großer Gefahr schweben. Peters Waffenbrüder würden einer nach dem anderen sterben. Auf fürchterliche, brutale, qualvolle Weise.
Los, Moira! Hör auf, dir so verdammt leidzutun!
Sie griff nach ihrer Tasche und öffnete die Tür.
Draußen bewegte sich irgendetwas – irgend jemand.
Sie trat schnell in das dunkle Zimmer zurück. Sie spürte, dass ihr eine Person durch den dichten Nebel entgegenkam, noch bevor sie sie sah. Sie nahm ihr Messer in die Hand, ohne sich dessen bewusst zu sein. Schweiß bildete sich über ihrer Augenbraue. Wenngleich sie auf sich allein gestellt war, wusste sie, wie ein Dämon aufzuhalten war. Ihn außerhalb eines kontrollierten Umfelds – wie einem Kloster – zu vertreiben, ohne den Menschen zu töten, den er in Besitz genommen hatte, war äußerst schwierig. Selbst dann war nicht gewiss, ob Opfer oder Exorzist überlebten. Sie wollte keinen weiteren Toten, der ihr Gewissen belastete.
Auch intensives Training, das ihr durch Rico – den besten Ausbilder des Ordens – zuteilgeworden war, konnte nicht viel ausrichten. Erfahrung erwies sich jedes Mal als Sieger über die Theorie. Aber in diesem Augenblick hatte sie keine andere Wahl. Fiona war hier, weil Moira einen tödlichen Fehler begangen hatte. Einen Fehler, den sie nicht noch einmal machen durfte.
Sie erkannte den Besucher. Es war der achtzehnjährige Jared Santos, ihr einziger Freund in diesem Land.
Entsetzt starrten seine dunklen Augen auf das Messer in Moiras Hand, das sie schnell in ihre Tasche steckte. »Ich habe dich nicht erkannt.«
»Und deshalb ziehst du ein Messer? Wir sind hier in Santa Louisa, nicht in Detroit!«
Sie überging seine Bemerkung. Er begriff immer noch nicht, womit sie es hier zu tun hatten, doch brauchte sie jemanden, der die Leute im Ort und die Umgebung kannte. Jared war seit der vergangenen Woche ihr Rettungsanker. Er hatte sie mit Informationen versorgt und sich als ihr
Weitere Kostenlose Bücher