Sündenjagd: Deadly Sins 1 - Roman (German Edition)
verschwand schnell, doch die Angst blieb.
Es war kein Albtraum, den sie hatte, sondern eine Vision, genauso fürchterlich wie die zehn Wochen zuvor, nur sehr viel lebendiger.
Sie brauchte mehr als einen Augenblick, bis sie wusste, wo sie sich befand. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie zwang sich zur Ruhe und versuchte, ihre Angst unter Kontrolle zu bringen. Das Motelzimmer mit seiner muffigen Luft, den eigenartigen Geräuschen, den gelben Lampen und dünnen Laken unterschied sich von keinem seiner zahlreichen Vorgänger. Tage waren zu Wochen geworden, Moira hatte kaum mitbekommen, wie die Zeit verflogen war. Fort Lauderdale, Ocean City, Astoria und Santa Louisa. Dazwischen Dutzende größerer und kleinerer Städte, die alle nahtlos ineinander übergegangen waren, bis sie endlich am richtigen Ort angekommen war.
»Santa Louisa«, flüsterte sie in die Dunkelheit hinein. Die Stadt lag ganz in der Nähe der Mission, in der das Blutbad stattgefunden hatte, von dem Pater Philip ihr erzählt hatte. Sie hätte nach dem Telefonat sofort hierherfahren sollen, das begriff sie jetzt. Hätte sie doch nur gewusst, dass die Berge im Osten von Santa Louisa nicht mehr als dreißig Meilen vom Pazifik entfernt waren!
Ref. 2 Moira war vor fast einer Woche in der malerischen Stadt im Herzen Kaliforniens angekommen und geblieben, nachdem sie gespürt hatte, am richtigen Ort zu sein. Ihre Nachforschungen und ihr feines Gespür hatten ihr bestätigt, dass sich hier in Santa Louisa das Tor zur Hölle befand.
In einem Internetforum, das sie häufig besuchte und in dem übernatürliche Phänomene diskutiert wurden, war sie auf den Bericht eines Jungen gestoßen, der die Klippen in der Umgebung seiner Heimatstadt Santa Louisa beschrieb, die eine auffallende Ähnlichkeit mit denen ihrer Vision aufwiesen. Er hatte besorgt geklungen, da ein Haus bei einem rätselhaften Feuer niedergebrannt war und sich auch noch andere sonderbare Vorfälle ereignet hatten. Der Junge hieß Jared Santos, und seine Erzählungen bestärkten Moira darin, dass diese Klippen mit denen ihrer Vision übereinstimmten, woraufhin sie sich sofort auf den Weg nach Santa Louisa gemacht hatte.
Die Klippen – und Trümmer des zerstörten Hauses – jagten Moira selbst bei Tageslicht Angst ein. Wann immer sie zu ihnen fuhr, schossen ihr erschreckende Bilder und Gedanken durch den Kopf.
Das Böse umgab sie. Es schwebte nicht in der Luft, das Böse war die Luft. Die Erde roch nicht nach Erde, sie stank nach Tod, nach Schrecken, nach verlorenen Seelen, die sich in dem verzweifelten Versuch, ihrem Schicksal zu entkommen, durch den schimmeligen Boden wanden. Auf dem Weg zu den Ruinen war sie an toten Vögeln, Nagetieren und einem verstümmelten Hund vorbeigekommen. Ihr Herz zog sich zusammen, befahl ihr umzukehren, aber sie schaute nach unten auf den Boden, und für eine Sekunde, die ihr ewig erschien, sah sie einen Feuerstrom unter der Oberfläche. Sie spürte die aufsteigende Hitze. Ihre Fußsohlen brannten, sie lief davon.
In jener ersten Nacht hatte sie sich voller Angst zwischen den Zypressen versteckt und gewartet. Sie hatte sich gezwungen
dazubleiben, in der Hoffnung – und Befürchtung –, ihre Mutter würde auftauchen.
Fiona war nicht gekommen. Niemand war gekommen. Am nächsten Tag hatte Moira Pater Philip angerufen und ihm von dem Feuer und den beiden Toten im Haus erzählt. Und was sie sonst noch alles herausgefunden hatte. Dass das Haus vollkommen zerstört worden war, war schon schlimm genug, doch Moira wusste, dass Tore wie diese nur durch das Opfern von Menschen geöffnet werden konnten, und das war noch viel schlimmer.
Der Pater bat sie, dortzubleiben und alles sorgfältig im Auge zu behalten, was sie dann auch getan hatte. Dachte sie zumindest.
Fiona, die von einer solch bösen Energie umgeben war, dass Moira zitterte, begann zu sprechen. Außer dem feuerroten Haar ihrer Mutter konnte Moira nichts erkennen. Über allem lag ein dunstiger Schleier, den sie nicht durchdringen konnte. Dunkle Schatten nahmen darin Gestalt an. Ob sie menschlicher oder teuflischer Natur waren, konnte Moira nicht erkennen. Das Tor zur Hölle war offen, sie war zu spät.
Nein, verflucht noch mal! Sie konnte nicht zu spät sein! Der Pater war sich doch so sicher gewesen, dass Fiona erst dann etwas unternehmen würde, wenn die Welten von Natur aus enger beieinanderlägen, also nach dem ersten Februar. Auch Moira hatte das geglaubt, doch hatten sie sich beide getäuscht.
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