Sündenzeit
„Bring sie doch um.“
„Marni!“, kreischte Amanda.
„Ich hole mir den Schatz“, sagte Marni. „Wenn ich ihn allein bekomme, ist das auch in Ordnung.“
„Nein!“, rief Amanda. Sie begann am ganzen Körper zu zittern und schluchzte.
„Hör auf zu heulen“, fuhr Marni sie an. „Er wird dich schon nicht erschießen. Schließlich ist er ein Mann. Und er ist verknallt. Oder geil. Habe ich dir nicht alles zu diesem Thema beigebracht? Glaub mir. Er lässt dich laufen und wirft seine Waffe über Bord. Ansonsten schlitze ich seiner Freundin nämlich die Kehle auf und filetiere sie wie einen Fisch, während er zusieht!“
„Das wirst du nicht tun!“, rief Caer. „Zach, erschieß sie!“
„Wir können uns schon einigen“, sagte Zach, um Zeit zu gewinnen. Er überlegte, wie er Marni überzeugen könnte, dass sie Caer loslassen musste.
Er konnte es in ihren Augen sehen. Sie war keine Verrückte, die durchdrehte. Marni gehörte zu den intelligenten Wahnsinnigen, die alles perfekt planten.
„Kümmer dich nicht um Amanda“, bat ihn Caer. „Erschieß Marni !“
Zach spürte, wie Amanda immer noch am ganzen Körper zitterte. Er richtete die Waffe auf Marni.
„Das Risiko wirst du nicht eingehen“, höhnte die.
„Du musst sie töten“, sagte Caer. Mit ihren leuchtend blauen Augen sah sie ihn eindringlich an. „Zach, ich habe dir die Wahrheit gesagt. Du musst Sean retten. Es muss sein. Du hast die Krähen gesehen. Ich kann es nicht genau erklären, aber Sean muss sein normales Lebensalter erreichen. Deshalb bin ich hier. Bitte, du musst mir glauben. Alles, was ich dir gesagt habe, ist wahr, alles .“
Er starrte Marni an, die nur kalt auflachte.
„Erschieß sie“, wiederholte Caer. „Du musst mir glauben, an mich glauben.“
„Lass die Waffe fallen, Zach“, sagte Marni nun erneut und presste die Klinge fester an Caers Hals. „Siehst du, was sonst passiert?“
Zach wusste, dass er seine Waffe nicht loslassen durfte. Auch wenn sein Herz zu zerreißen drohte, als er die glänzende Klinge an Caers Haut sah, von der jetzt ein schmales Rinnsal Blut tropfte. Es war, als würde Marni ihm ins eigene Fleisch schneiden.
Aber da war etwas …
Etwas in Caers Blick, das von Wahrheit und Weisheit sprach.
Aber sie war doch keine Todesfee …
Konnte es gar nicht sein …
Oder doch?
Plötzlich hatte er das Bild wieder vor Augen – ein scharfes Küchenmesser, das in Caers Rücken steckte …
Sie hatte es überlebt, nur einen Kratzer abbekommen. Obwohl sie es mit reinem Glück erklärt hatte. Dass die Verstärkung ihres BHs die Klinge abgebremst hätte …
Hatte er eine Wahl? Alle würden sterben, Sean, Tom, Clara, Kat, nicht nur Caer, wenn er Marni nicht aufhielt.
„Zach, tu es!“, rief Caer.
„Tu es nicht, wenn du nicht zusehen willst, wie sie verblutet“, warnte ihn Marni. „Ich werde dir gleich mal zeigen, wie das aussehen kann …“
Zach drückte ab, der Schuss explodierte. Die Messerklinge schnitt in Caers Hals, gerade als die Kugel Marni mitten in die Stirn traf. Im Fallen zog sie Caer mit sich zu Boden.
Amanda schrie hysterisch. Zach stieß sie von sich und rannte zu Caer hinüber. Er zog sie an seine Brust und suchte hektisch nach etwas, mit dem er den Blutfluss aus ihrer Kehle stoppen könnte.
Plötzlich hörte er ein Getöse über sich und blickte nach oben.
Der Himmel hatte sich verdunkelt, aber es waren keine Gewitterwolken, wie Zach schockiert feststellte. Es waren die Krähen. Hunderte und Aberhunderte von den großen schwarzen Vögeln stießen im Schwarm herunter Richtung Schiffsdeck.
Wieder schrie Amanda laut auf, und ihre Schreie vermischten sich mit dem Krächzen der Vögel.
Zach hielt Caer in den Armen, den Finger auf ihre Wunde gepresst in dem Versuch, die Blutung zu stoppen. Da öffnete sie die Augen. Sie lächelte schwach.
„Ach, Zach. Ich habe es dir doch gesagt. Sie hätte mich nicht töten können. Es ist alles in Ordnung.“
Er kam nicht mehr dazu, etwas zu antworten. Der riesige Schatten über ihnen materialisierte sich. Zach glaubte verwundert, das Donnern von Hufen zu hören.
„Das ist die Kutsche. Die Todeskutsche“, erklärte Caer ihm. Tränen standen ihr in den Augen, als sie sich auf ihn stützte und sich erhob.
Zach stand ebenfalls auf. Die Wunde an ihrem Hals hatte aufgehört zu bluten. Ungläubig starrte er sie an, glaubte zu halluzinieren. Das musste wohl der Fall sein, denn als er hochblickte …
Er sah eine Kutsche über dem Schiff
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