Sündenzeit
Polizisten gesehen. Er war eine Seltenheit, jemand, der sich aufopferte. Vielleicht war er entschlossen, der Welt etwas für seine Privilegien zurückzugeben, die er von Geburt an hatte genießen dürfen. Fakten oder Instinkt?
Ein Gefühl.
Tom und Clara. Himmel, er kannte die beiden seit vielen Jahren. Seit er als Jugendlicher mit Sean zusammengekommen war.
Könnten sie die Täter sein? Einer von beiden war fast immer im Haus. Sie waren auf der Abschiedsparty von Amanda und Sean gewesen. Wenn seine Annahme stimmte, hatte man Sean einen Giftpilz verabreicht, von dem er schwer krank geworden war. Was war am Vormittag, als Eddie verschwand? Sie waren im Haus, um das Fest vorzubereiten.
Hätte sich einer von ihnen davonschleichen können? Tom ja. Clara nicht. Tom hätte also Eddie töten und Clara Sean vergiften können? Ja, möglich war es.
Auch hier gab es keine Fakten, nur seinen Instinkt.
Sein Gefühl.
Und das sagte ihm, dass es zwar möglich gewesen wäre, aber höchst unwahrscheinlich.
Doch was wäre möglich und auch vorstellbar?
Amanda. Kat hasste Amanda und war davon überzeugt, dass die Frau ihren Vater umbringen wollte.
Cal und Marni. Cal hätte problemlos in diese Verkleidung gepasst.
Doch das traf auf die anderen auch zu, nur …
Cal war jung und stark. Er wäre in der Lage gewesen, sowohl Eddie als auch den Polizisten anzugreifen, ein Messer mit genug Kraft und Zielsicherheit zu werfen, um Jorey zu treffen – wenn Caer nicht im Weg gewesen wäre.
Providence war keine fünfzig Kilometer von Newport entfernt. In der Hochsaison konnte die Fahrt allerdings schon mal eine Stunde oder mehr dauern. Doch jetzt im Winter und lange vor der Rushhour schaffte Zach den Weg in kürzester Zeit. Er war zufrieden, dass sie inzwischen sehr viel weiter gekommen waren. Die Hinweise häuften sich. Die Wahrheit schien sich mehr und mehr herauszulösen. Denn eines stimmte: Die sorgfältigsten Mörder wurden irgendwann nachlässig und machten Fehler.
Zach fuhr die lange Auffahrt zum Haus hoch und parkte vor der Garage. Er sah sich um. Der Garten war schwarz von Krähen.
Wie unheimlich. Egal, wie oft er sich schon gesagt hatte, dass es lediglich Vögel waren, so etwas hatte er noch nie gesehen.
Er musste daran denken, wie beunruhigt Caer über die Gegenwart der Krähen gewesen war. Sie behauptete, sie wäre eine Banshee. Vielleicht nannte sich die Gruppe in Irland so, der sie angehörte. Die Banshees.
Nein. Sie wollte ihm weismachen, dass sie tatsächlich eine Todesfee wäre. Ein klagender Geist, der die Sterbenden in die andere Welt begleitete.
Unglaublich. Es gab keine Todesfeen.
Und dermaßen viele Krähen mitten im Winter in Rhode Island gab es auch nicht.
Er stieg aus und schlug die Autotür zu. Ein merkwürdiges Angstgefühl überkam ihn auf dem Weg zum Eingang an der Küche.
Sofort wurde ihm eines klar: Cal war nicht der Mörder.
Seans junger Geschäftspartner lag in der Küche auf dem Boden. An seinem Kopf eine stark blutende Wunde, neben ihm eine von Claras schweren robusten Eisenpfannen. Aufgrund des Bluts, das daran klebte, war sofort klar, dass es sich hier um die Tatwaffe handelte.
Zach ließ sich auf die Knie sinken und nahm Cals Arm, um den Puls zu fühlen. Er befürchtete das Schlimmste, der Mann sah aus, als wäre er tot.
Doch er konnte den Puls ertasten. Sehr schwach, aber er war da.
Sofort zog er sein Handy heraus und rief den ärztlichen Notdienst. Gleich darauf wählte er Morrisseys Nummer. Als er unter dem privaten Anschluss niemanden erreichte, begann er kurz wieder zu zweifeln. Doch dann öffnete Cal plötzlich die Augen.
„Geh … sie ist verrückt. Sie sind verrückt …“, nuschelte er mit verhangenem Blick.
„Tom und Clara?“, fragte Zach ungläubig und blickte auf die Bratpfanne, die neben Cal lag.
„Marni“, brachte der angestrengt heraus. „… und Amanda.“
„Wo sind sie? Auf dem Schiff?“
„Sie will es in die Luft jagen. Sie ist verrückt … Marni ist verrückt. Hab es heute Morgen gehört … sie und Amanda … flüstern … zusammen.“ Er stöhnte auf. Das Sprechen kostete ihn zu viel Kraft. „Halte sie auf. Musst sie aufhalten.“
Zach hörte die Sirenen. Cal würde sofort Hilfe erhalten. Mehr konnte er jetzt nicht tun. Er verließ das Haus wieder. Da Cal bei Bewusstsein war, musste Zach nicht auf die Sanitäter oder die Polizei warten, um mit ihnen zu sprechen.
Er ließ die Tür für sie offen, stieg schnell wieder ins Auto und raste die Auffahrt
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