Sündige Rache
Bevor Eve ihm widersprechen konnte, hob er abwehrend die Hand. »Es wird die Sache leichter machen, wenn diese Anfrage von mir kommt statt von Ihnen, Dallas. Und ich halte es für ratsam, wenn wir darauf achten, dass alles möglichst reibungslos verläuft.«
»Sehr wohl, Sir.« Trotzdem stieß ihr Whitneys Einmischung in ihre Arbeit sauer auf. »Ich hätte gern die richterliche Genehmigung, mir Kohlis Finanzen anzusehen. Sämtliche seiner Konten laufen auf ihn und seine Frau, und es wäre mir lieber, wenn ich darauf verzichten könnte, Mrs Kohli mit meinem Ansinnen zu belästigen.«
»Oder sie vielleicht zu warnen, falls es dort etwas zu finden gibt«, führte Whitney ihre Überlegungen zu Ende und stützte sich mit beiden Händen auf der Schreibtischplatte ab. »Glauben Sie, dass er Bestechungsgeld genommen hat?«
»Ich würde gerne sichergehen, dass es nicht so war.«
»Tun Sie das«, wies er sie an. »Und zwar diskret. Ich besorge Ihnen die Genehmigung und hoffe, Sie besorgen mir im Gegenzug den Kerl, der einen unserer Leute auf dem Gewissen hat.«
Eve brachte den Rest des Tages damit zu, sich Kohlis Personalakte und seine Fälle anzusehen.
Was war er für ein Mann gewesen, was für ein Polizist?
Die Akte zeigte einen durchschnittlichen Polizisten, auf den zwar Verlass, der aber gleichzeitig nie besonders engagiert gewesen war. Er hatte kaum je eine Schicht versäumt, ebenso selten aber eine Überstunde zu verzeichnen.
Er hatte nie im Dienst mit maximaler Kraft auf jemanden geschossen und deshalb nie die vorgeschriebene psychologische Begutachtung über sich ergehen lassen müssen, hatte jedoch erfolgreich an vielen Fällen mitgewirkt und effiziente, sorgfältig geschriebene, gründliche Berichte über seine Einsätze verfasst.
Er war ein Mann gewesen, ging es Eve durch den Kopf, der sich an die Regeln hielt, der seine Arbeit machte, abends heimging und dort den Job schlicht vergaß.
Wie war ihm das gelungen?, überlegte sie. Wie zum Teufel stellte man es an, dass einem das gelang?
Seine Militärakte war ähnlich. Auch bei der Armee hatte er weder Probleme noch übermäßigen Erfolg gehabt. Mit zweiundzwanzig war er eingetreten und hatte sechs Jahre gedient.
Es fehlte keinem ›t‹ ein Strich und keinem ›i‹ ein Punkt. Alles war genau belegt. Ein völlig normales Leben. Beinahe auffallend normal.
Statt Nester Vines vom Purgatorium erreichte sie nur seine erschöpft wirkende Frau, die sie darüber informierte, dass Nester am Vorabend bereits vor Schichtende mit Bauchschmerzen heimgekommen war. Sie selbst kam gerade aus dem Krankenhaus, wo man ihrem Mann um drei Uhr in der Früh den Blinddarm herausgeschnitten hatte.
Wodurch der Mann das denkbar beste Alibi bekam. Das Einzige, was Mrs Vine ihr raten konnte, war, eine Stripperin mit Namen Nancie anzurufen, die, als Kohli Vine gedrängt hatte, doch heimzufahren, noch im Club gewesen war.
Trotzdem kontaktierte Eve nach dem Gespräch das Krankenhaus und ließ sich dort bestätigen, dass Nester Vine tatsächlich in der Nacht der Blinddarm entfernt worden war.
Vergiss Nester, dachte sie und trug statt seines Namens den der Stripperin in der Liste derer, mit denen sie noch sprechen müsste, ein.
Weder Lieutenant Mills noch Detective Martinez kamen, als sie ihre Nummern wählte, an den Apparat. Sie waren unterwegs und nicht erreichbar, war die Antwort, die sie von ihren Links bekam. Also sprach sie beiden kurz aufs Band, sammelte ihre Unterlagen ein und stand auf.
Sie würde sich Kohlis Finanzen abends zu Hause ansehen.
Auf dem Weg nach draußen fand sie Peabody über Papierarbeit gebeugt in ihrer kleinen Ecke des Großraumbüros vor.
»Lassen Sie den Rest bis morgen liegen und gehen Sie nach Hause.«
»Ja?« Als Peabody auf ihre Uhr sah, hellte sich ihre Miene sichtlich auf. »Da komme ich ja sogar einmal pünktlich heim. Ich habe um acht eine Verabredung mit Charles. Dann habe ich genügend Zeit, um mich so richtig schick zu machen«, meinte sie vergnügt und musterte Eve, als diese verächtlich knurrte, mit einem breiten Grinsen. »Wissen Sie, was das Problem ist, wenn man mit zwei Männern gleichzeitig jongliert?«
»Sie nennen McNab tatsächlich einen Mann?«
»An guten Tagen ist er ein angenehmer Kontrast zu Charles. Aber wie gesagt, wissen Sie, was das Problem ist, die beiden abwechselnd zu sehen?«
»Nein, Peabody, also verraten Sie es mir.«
»Dass es völlig problemlos geht.« Wiehernd schnappte sich Peabody ihre Tasche und lief los.
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