Sündige Rache
Verkehrskontrolle an seine Ohren drang.
Erwischt, ging es ihm weiter durch den Kopf. Ach, wäre die Durchsetzung von Recht und Ordnung für sie doch auch einmal so leicht.
Als Eve hinter ihm verstummte, drehte er sich zu ihr um. Sein Gesicht war breit und dunkel, und sein militärisch kurz geschnittenes Haar zeigte Spuren erster Grautöne. Er war ein hochgewachsener Mann mit kühlen, ernsten Augen, hatte die erste Hälfte seiner Karriere auf der Straße zugebracht und bis heute nicht vergessen, wie anstrengend und hart diese Arbeit war.
»Bevor ich etwas zu Ihrem Bericht sage, Lieutenant, möchte ich Sie darüber informieren, dass Captain Roth vom hundertachtundzwanzigsten Revier mich angerufen hat. Sie hat einen förmlichen Antrag gestellt, dass man ihr die Ermittlungen im Mordfall Kohli überträgt.«
»Ja, Sir. Sie hatte bereits angedeutet, dass sie das machen würde.«
»Und was haben Sie darauf erwidert?«
»Dass der Wunsch durchaus verständlich, aber weniger rational als vielmehr emotional begründet ist.«
»Das sehe ich genauso.« Er machte eine kurze Pause und nickte schließlich. »Sie fragen mich ja gar nicht, ob ich die Absicht habe, Captain Roth den Fall zu übertragen.«
»Es gibt keinen taktischen Grund, um so etwas zu tun, und wenn Sie beschlossen hätten, Captain Roth mit den Ermittlungen zu diesem Mordfall zu betrauen, hätten Sie mir das sofort mitgeteilt.«
Whitney presste die Lippen aufeinander und wandte sich erneut dem Fenster zu. »Das ist beides richtig. Die Ermittlungen bleiben weiterhin in Ihrer Hand. Der Fall ist tatsächlich hoch emotional, Lieutenant. Nicht nur für Captain Roth und ihre Leute, sondern für die gesamte New Yorker Polizei. Auch wenn wir uns alle der mit unserer Arbeit verbundenen Risiken bewusst sind, ist es immer schwer, wenn es tatsächlich einen von uns erwischt. Die Art und Weise, in der Detective Kohli ermordet worden ist, taucht die Geschichte allerdings in ein etwas anderes Licht. Das Übermaß an Gewalt, das der Täter angewendet hat, lässt darauf schließen, dass er kein Profi-Killer gewesen ist.«
»Stimmt. Aber ganz schließe ich einen Auftragsmord nicht aus. Falls Ricker etwas mit dem Fall zu tun hat, hat er möglicherweise spezielle Anweisung gegeben, besonders brutal und rücksichtslos zu sein. Ich habe mir bisher noch kein Bild von Kohli als Polizist gemacht. Ich weiß nicht, ob er vielleicht dumm oder dreist gewesen ist, um einem von Rickers Schlägern den Rücken zuzuwenden, als der im Club erschienen ist. Ich habe Peabody gebeten, sich seine Personalakte und die von ihm bearbeiteten Fälle anzusehen. Ich muss wissen, wem er nahe gestanden hat, wie seine Informanten hießen und inwieweit er in die Ermittlungen und das Verfahren gegen Ricker einbezogen gewesen ist.«
»Dies wäre nicht das erste Mal, dass Ricker unter Verdacht steht, einen Mord in Auftrag gegeben zu haben. Aber für gewöhnlich geht er dabei deutlich diskreter vor.«
»Dieser Mord scheint ein persönlicher Racheakt gewesen zu sein, Commander. Ob es dabei um den Polizisten oder um den Privatmann Kohli ging, kann ich noch nicht sagen. Aber es war sehr persönlich. Übrigens ist Roarke der Eigentümer des Lokals, in dem die Tat begangen worden ist«, fügte sie betont beiläufig hinzu.
»Das habe ich bereits gehört.« Er wandte sich ihr wieder zu und sah ihr, während er an seinen Schreibtisch trat, prüfend ins Gesicht. »Nehmen Sie den Fall deswegen ebenfalls persönlich, Lieutenant?«
»Es wird leichter für mich sein, Informationen über die Angestellten und die Gäste des Purgatoriums zu erhalten. Die Geschäftsführerin des Clubs ist bereits freiwillig auf dem Revier erschienen, um mir alles zu sagen, was sie weiß. Die Tatsache, dass Kohli ihr seinen Beruf als Polizist bei seiner Einstellung verschwiegen hat, weckt in mir die Frage, ob er dort eventuell auf eigene Faust gegen irgendwen ermittelt hat. Er hat sich vorsätzlich als etwas anderes ausgegeben und ist sogar so weit gegangen, sich einen falschen Arbeitgeber zu besorgen, der Auskunft über ihn gegeben hat. Es gibt kein Anzeichen dafür, dass er für seine Abteilung undercover tätig gewesen ist, weshalb er also höchstens inoffiziell im Purgatorium ermittelt haben kann.«
»Mir ist weder von offiziellen noch von anderen Ermittlungen bekannt, aufgrund derer der Undercover-Einsatz von Detective Kohli im Purgatorium erforderlich gewesen wäre. Aber ich werde mich noch mal mit Captain Roth darüber unterhalten.«
Weitere Kostenlose Bücher