Sündige Rache
sprach.
»Nein.« Clooney drückte ihre Hände, bis sie ihm in die Augen sah. Er wusste, das war wichtig. Damit sie ihm glauben und sich von ihm trösten lassen konnte, war es unerlässlich, dass sie ihm in die Augen sah. »Natürlich ist es das nicht.«
»Er hat nur meinetwegen dort gejobbt. Ich wollte nach Jillys Geburt nicht weiterarbeiten. Ich wollte lieber zu Hause bleiben und die Kinder erziehen. Das Geld, das Erziehungsgeld, war so viel weniger als das, was ich -«
»Patsy, Taj war glücklich, weil du bei den Kindern geblieben bist. Er war sehr, sehr stolz auf die beiden und auf dich.«
»Ich kann nicht – Chad.« Sie riss ihre Hände los und hob sie vors Gesicht. »Wie soll ich es ihm sagen? Wie sollen wir leben ohne Taj? Wo ist er?« Sie ließ ihre Hände sinken und sah sich mit blinden Augen um. »Ich muss ihn sehen. Vielleicht ist das alles nur ein schrecklicher Irrtum.«
Dies war ihr Stichwort, wusste Eve. »Tut mir Leid, Mrs Kohli, aber ein Irrtum ist völlig ausgeschlossen. Ich bin Lieutenant Dallas. Ich leite die Ermittlungen.«
»Sie haben Taj gesehen.« Unsicher stand Patsy auf.
»Ja. Es tut mir Leid. Es tut mir sehr Leid, dass Sie ihn verloren haben. Können Sie mit mir sprechen, Mrs Kohli? Können Sie mir helfen, die Person zu finden, die dieses Verbrechen begangen hat?«
»Lieutenant Dallas«, begann Roth, aber Patsy schüttelte den Kopf.
»Nein, nein. Ich möchte reden. Taj würde es so wollen. Er würde wollen, dass … Wo ist Jilly? Wo habt ihr mein Baby hingebracht?«
»Ich, äh …« Unbehaglich zeigte Eve in Richtung Wäschekorb.
»Oh.« Patsy wischte sich die Tränen fort und erklärte mit einem Hauch von Lächeln: »Sie ist ein wunderbares Kind. Sie weint so gut wie nie. Trotzdem sollte ich sie besser in ihre Wiege legen.«
»Das kann ich übernehmen, Patsy.« Clooney erhob sich ebenfalls. »Sprich du stattdessen mit dem Lieutenant.« Er bedachte Eve mit einem ruhigen, mitfühlenden Blick. »Taj würde es so wollen. Sollen wir jemanden anrufen? Vielleicht deine Schwester?«
»Ja.« Patsy atmete zitternd durch. »Ja, bitte. Ich wäre dir dankbar, wenn du Carla darum bitten würdest, dass sie kommt.«
»Das macht Captain Roth, nicht wahr, Captain? Währenddessen lege ich das Baby in seine Wiege.«
Roth malmte sichtbar mit den Zähnen. Eve war von diesem Zeichen der Verärgerung nicht weiter überrascht. Clooney hatte einfach die Führung übernommen, und Roth war keine Frau, die sich ohne weiteres Befehle von einem Untergebenen erteilen ließ.
Trotzdem sagte sie: »Ja, natürlich.« Und ging mit einem letzten, warnenden Blick in Richtung von Eve nach nebenan.
»Gehören Sie zu Tajs Brigade?«
»Nein.«
»Nein, nein, natürlich nicht.« Patsy rieb sich nachdenklich die Schläfe. »Sie müssen von der Mordkommission sein.« Ein leises Wimmern drang aus ihrer Kehle, und Eve empfand Bewunderung, als sie sich sofort wieder zusammenriss und mit ruhiger Stimme fragte: »Was wollen Sie wissen?«
»Haben Sie sich keine Sorgen gemacht, als Ihr Mann heute Nacht nicht heimgekommen ist?«
»Nein.« Sie stützte sich mit einer Hand auf der Sofa-lehne ab und nahm erschöpft wieder Platz. »Er hatte gesagt, wahrscheinlich führe er direkt vom Club aus aufs Revier. Das hat er manchmal so gemacht. Außerdem hat er gesagt, er würde nach Schließen des Clubs noch jemanden treffen.«
»Wen?«
»Das hat er nicht gesagt. Er hat mir nur erzählt, dass er noch mit jemandem verabredet war.«
»Wissen Sie, ob es jemanden gibt, der ihm Schlechtes gewünscht hat, Mrs Kohli?«
»Er war Polizist«, kam die schlichte Antwort. »Gibt es jemanden, der Ihnen Schlechtes wünscht, Lieutenant?«
Gut gekontert, dachte Eve und nickte. »Jemand Speziellen? Hat er mal einen Namen erwähnt?«
»Nein. Über seine Arbeit hat Taj nie mit mir gesprochen. Das war für ihn ein ehernes Prinzip. Er wollte nicht, dass seine Familie mit diesen Dingen in Berührung kommt. Ich kann Ihnen nicht mal sagen, was für Fälle er bearbeitet hat. Er hat nicht gern davon gesprochen. Aber irgendetwas hat ihn bedrückt.«
Sie legte die Hände in ihren Schoß und starrte auf ihren goldenen Ehering. »Ich habe gemerkt, dass er Sorgen hatte. Ich habe ihn danach gefragt, aber er hat so getan, als bilde ich mir das nur ein. Typisch Taj«, erklärte sie mit einem unglücklichen Lächeln. »Er war, tja, manche hätten vielleicht behauptet, dass er ein Macho gewesen ist, aber er war halt einfach Taj. In manchen Dingen war er ziemlich
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