Sündige Rache
altmodisch. Er war ein guter Ehemann. Ein wunderbarer Vater. Und er hat seinen Job geliebt.«
Sie presste die Lippen aufeinander. »Er wäre stolz darauf gewesen, wenn er in Erfüllung seines Dienstes gestorben wäre. Aber nicht so. Nicht so. Wer ihn ermordet hat, hat ihn dieses letzten Glücks beraubt. Hat ihn mir und seinem Baby genommen. Wie kann das sein? Lieutenant, wie kann das sein?«
Da es darauf keine Antwort gab, blieb Eve nichts anderes übrig, als Patsy weitere Fragen nach ihrem Mann zu stellen. Was sie so behutsam wie möglich tat.
2
» D as war wirklich hart.«
»Ja.« Eve lenkte den Wagen auf die Straße und versuchte, das Gefühl der Schwermut abzuschütteln, mit dem sie aus der Wohnung der Kohlis gekommen war. »Sie wird es der Kinder wegen packen. Sie ist eine starke Frau.«
»Die Kinder waren toll. Auch wenn der kleine Junge ein Schlawiner ist. Hat mir neben einem Hot Dog noch drei Schoko-Sticks und eine Cremeschnitte abgeschwatzt.«
»Was sicher echte Schwerstarbeit für ihn gewesen ist.«
Peabody erklärte mit einem versonnenen Lächeln: »Ich habe einen Neffen, der ungefähr im gleichen Alter ist.«
»Sie haben doch Neffen in sämtlichen Altersgruppen?«
»Mehr oder weniger.«
»Sie haben auf jeden Fall eine Menge Erfahrung mit Familie. Also sagen Sie mir eins: Wenn ein Mann und eine Frau eine offenbar solide Ehe führen und obendrein gemeinsame Kinder haben, wie kommt es dann, dass die Frau, die offensichtlich alles andere als zerbrechlich oder dumm ist, so gut wie nichts über die Arbeit ihres Mannes weiß? Über seinen Job, über das, was er tagtäglich macht?«
»Möglicherweise lässt er die Arbeit, wenn er heimkommt, lieber vor der Tür.«
»Wie soll das denn bitte gehen?«, wandte Eve alles andere als überzeugt ein. »Wenn man mit jemandem Tag für Tag zusammenlebt, muss man doch wissen, was er tut, was er denkt, womit er sich beschäftigt. Sie hat gesagt, sie hätte das Gefühl gehabt, dass er sich Sorgen macht, wüsste aber nicht worum und hätte ihn auch nicht weiter bedrängt.«
Sie schüttelte den Kopf und fädelte den Wagen stirnrunzelnd in den dichten Verkehr. »Das geht mir nicht in den Kopf.«
»Sie und Roarke haben halt eine andere Paardynamik.«
»Was zum Teufel soll das heißen?«
»Nun.« Peabody schielte ihre Chefin von der Seite her an. »Das war die höfliche Umschreibung dafür, dass keiner von Ihnen beiden es dem anderen durchgehen lassen würde, ihm irgendetwas zu verschweigen. Wenn mit einem von Ihnen beiden etwas los ist, schnüffelt ihm der andere so lange hinterher oder klopft so lange auf den Busch, bis er alles weiß. Sie sind beide neugierig und gemein genug, um dem anderen das Leben schwer zu machen, sobald er versucht, etwas zu verbergen. Aber nehmen Sie zum Beispiel meine Tante Miriam.«
»Muss ich?«
»Was ich sagen will ist, dass sie und Onkel Jim seit über vierzig Jahren miteinander verheiratet sind. Er geht täglich zur Arbeit und kommt jeden Abend heim. Sie haben vier Kinder, acht, nein, neun Enkel und sind sehr glücklich miteinander. Trotzdem hat sie keine Ahnung, was er pro Jahr verdient. Er gibt ihr einfach ihr monatliches Haushaltsgeld -«
Um ein Haar hätte Eve das Taxi, das vor ihr fuhr, gerammt. »Er gibt ihr was?«
»Tja, nun, wie gesagt, die Dynamik Ihrer Beziehung zu Roarke ist eben eine andere als die, die es in vielen anderen Partnerschaften gibt. Hm, abgesehen davon, dass meine Tante Miriam Haushaltsgeld von ihm bekommt, fragt sie ihn jeden Abend, wie sein Tag gewesen ist. Er sagt, er war okay, und das ist das Ende des Gesprächs über seinen Job.« Sie zuckte mit den Schultern. »Weiter geht es nicht. Hingegen meine Cousine Freida -«
»Ich habe verstanden, Peabody.« Um sich nicht Peabodys gesamte Familiengeschichte anhören zu müssen, rief Eve hastig über das Autotelefon im Leichenschauhaus an und wurde zu ihrer Überraschung umgehend zu Morse in den Autopsieraum durchgestellt.
»Ich bin noch nicht mit ihm fertig, Dallas«, erklärte Morse und wirkte dabei ungewöhnlich ernst. »An dem armen Kerl ist kaum noch etwas ganz.«
»Ich weiß. Haben Sie schon den toxikologischen Bericht?«
»Ich habe gesagt, dass es dringend ist. Er hatte nichts Verbotenes in sich. Ein paar Bier und die Reste einer Brezel. Sieht aus, als hätte er das Bier getrunken, als er angegriffen worden ist. Die letzte Mahlzeit, die er ungefähr sechs Stunden vor Eintreten des Todes zu sich genommen hat, bestand aus einem
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