Suendiger Hauch
sehen?«
Michael sah sie verblüfft an. »Ich habe einen Bruder?«
»Ja.«
»Wenn das so ist, dann möchte ich ihn unbedingt sehen«, sagte er artig.
Über seinen Kopf hinweg warfen sich Kathryn und Lucien einen Blick zu und lächelten sich an. Kathryn musste blinzeln, um sicherzugehen, dass sie nicht wieder einen Traum hatte.
An diesem Tag kehrte sie zum ersten Mal in das kleine Cottage zurück und stellte erstaunt fest, dass es hergerichtet worden war und bereits auf sie wartete. In den Wochen nach ihrem Verschwinden hatte Lucien das Häuschen renovieren und wieder mit den Gegenständen aus ihrem Laboratorium einrichten lassen, die sie im Stall versteckt hatte.
Nun, da sie wieder zu Hause war und sich um die Kinder kümmern wollte, würde sie sich nicht mehr im selben Ausmaß ihrer Arbeit widmen, doch wann immer sie Zeit dazu fand, stellte sie eine Herausforderung für sie da, die ihr Leben erst richtig vollständig machte.
In sich hineinlächelnd, machte sich Kathryn auf den Weg zum Häuschen. Es war der erste warme Frühlingstag in jenem Jahr. Obwohl draußen die Sonne schien, war im Inneren ein kleines Feuer im Kamin angezündet worden, um die Kälte aus dem Gemäuer zu vertreiben, und aus dem Kamin quollen einladende kleine Qualmwölkchen. Lucien hatte die medizinischen Bücher, die sie sich aus seiner Bibliothek geliehen hatte, in das freundliche kleine Wohnzimmer bringen lassen, und hatte die zehnfache Menge an weiteren Werken hinzugekauft. Es schien, als hätte er das gesamte Land nach Fortsetzungsbänden abgesucht, die nun alle in großen Stapeln auf dem Boden lagen.
Kathryn konnte sich ein Grinsen nicht verbeißen, als sie daran dachte, dass ihr Ehemann ihre exzentrischen, ehemals verbotenen Interessen nun auch noch unterstützte. Summend machte sie sich daran, das Cottage herzurichten und dieTöp-fe mit Kräutern zu gießen, die ordentlich auf den Fensterbänken aufgereiht standen. Fast hätte sie nicht gehört, wie sich der Riegel an der Tür mit einem metallischen Klicken öffnete. Bestimmt war es ihr Mann, dachte sie, während sie sich lächelnd umwandte, doch der Mann, der soeben eingetreten war, war nicht Lucien.
Es war Douglas Roth.
Kathryn war einen Moment lang starr vor Angst. »Onkel Douglas«, brachte sie schließlich mühsam hervor. »Ich bin überrascht, dich hier zu sehen.«
Seine schmalen Lippen verzogen sich kaum merklich. »Ich weiß nicht, warum du überrascht sein solltest. Während der Jahre, die du in meiner Obhut verbracht hast, musst du doch mitbekommen haben, dass ich fest an Vergeltung glaube. Wenn ich mich recht entsinne, musstest du die eine oder andere Züchtigung über dich ergehen lassen, bevor du begriffen hast, dass du mich nicht hintergehen kannst, ohne dafür bestraft zu werden.«
Kathryn wurde stocksteif. Wie könnte sie jemals die harte Behandlung ihres Onkels vergessen? Im Vergleich zu den Qualen, die sie in St. Bart’s hatte erdulden müssen, schienen ihr die ersten Jahre unter seiner Vormundschaft noch wie ein Paradies.
»Woher weißt du, dass ich hier bin?«
Er trat ein Stück weiter in den Raum und schloss die Tür hinter sich, sorgfältig darauf bedacht, dass sein flaschengrüner Rock nicht mit den zahllosen Bechern und Gefäßen in Berührung kam, die auf dem Tisch standen. Unbewusst griff er nach seiner Perücke, um sicherzustellen, dass sie auch richtig saß.
»Es war recht schwierig, dich zu finden. Ich habe das Haus mehrere Tage lang beobachtet. Im Verlauf meiner Beobachtung fiel mir dann das Cottage ein. Es war offensichtlich, dass all diese Kräuter und Arzneien dir gehören mussten, also habe ich gewartet, bis du kommst. Ich wusste, ich würde nicht lange warten müssen.«
Kathryn, die von Sekunde zu Sekunde nervöser wurde, befeuchtete mit der Zunge ihre Lippen. »Warum bist du hierher gekommen? Was willst du?«
Eine seiner Brauen schoss in die Höhe. »Was ich will? Das kannst du dir doch sicher vorstellen.« Seine Lippen verzogen sich zu dem kalten, skrupellosen Lächeln, das sie im St. Bart’s bis in ihre Träume verfolgt hatte. »Ich will, dass du dafür bezahlst, dass du mein Leben zerstört hast.« Er trat einen Schritt auf sie zu und rümpfte angewidert die Nase, als ihm die ungewohnten Gerüche in die Nase stiegen. »Du hast mir meinen Lebensunterhalt genommen, Kathryn. Du hast mich aus Milford Park vertrieben. Du hast meinen Ruf ruiniert, ganz zu schweigen davon, dass du versucht hast, mich zu töten - ein Versuch, den ich
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