Süße Herzensbrecherin
ausgespro chen elegant und aus feinem, teurem Tuch gefertigt war. Nur einer der vornehmsten Schneider des Londoner ton konnte ihn ausgestattet haben.
Durch den Sturz war sein dichtes dunkelbraunes Haar gehörig in Unordnung geraten. Es bedeckte seine hohe Stirn und streifte den Kragen seines Reitrocks. Er muss um die dreißig Jahre alt sein, überlegte Cassandra und musterte sein unverschämt hübsches Gesicht. Es hatte ebenmäßige Züge, die eine gewisse Rücksichtslosigkeit verrieten. Seine Nase war gerade, sein Kinn kantig, die dunklen Brauen besaßen einen perfekten Schwung und sein Mund einen entschlossenen Zug, der fast sinnlich anmutete. Der junge Mann bot die Erscheinung eines eleganten Aristokraten, der Macht gleichermaßen ausstrahlte wie Stärke.
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Blutung zum Stillstand gekommen war, sah sie ihm wieder in die Augen. „Ich denke, Sie werden überleben. Sie haben keine schwere Verletzung davongetragen – höchstens Ihr Stolz, würde ich meinen.“ Sie seufzte. „Wann werden Gentlemen wie Sie endlich lernen, Ihre Zwiste zivilisierter auszutragen? Ein Duell ist mit Sicherheit keine Lösung.“ Ohne William die Möglichkeit einzuräumen, sich zu rechtfertigen, erhob sie sich. „Kommen Sie, versuchen Sie aufzustehen. Sie sollten einen Arzt aufsuchen, damit er sich Ihre Schulter ansieht.“
„Das ist nicht nötig. Wenn Sie Ihren Kutscher bitten würden, mir mein Pferd zu bringen, mache ich mich gleich auf den Heimweg.“
„Die Kugel steckt noch in Ihrer Schulter. Sie muss entfernt und die Wunde ordentlich versorgt werden.“ William wollte protestieren, doch es entfuhr ihm lediglich ein Krächzen, und als er versuchte sich zu bewegen, versagten ihm seine Glieder den Dienst. Cassandra warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Keine Diskussion. In Ihrem Zustand können Sie es sich nicht erlauben zu widersprechen.“ Sie wandte sich Clem zu. „Helfen Sie mir, Mr. …“
„Captain. Ich bin Captain William Lampard.“
„Oh!“
Ein sonderbar abwehrender Ausdruck huschte über ihr Gesicht. Sie musterte ihn prüfend und wirkte zunächst beinahe scheu, dann bedachte sie ihn mit einem ausgesprochen kühlen Blick, als hege sie eine tiefe Abneigung gegen ihn.
„Sie haben von mir gehört?“, fragte er neugierig.
„Ja“, erwiderte sie fest. „Obwohl Sie besser bekannt sind unter dem Namen Lord Carlow.“
Cassandra hatte viel von Lord Carlow gehört. Er war ein arroganter Peer, der zu glauben schien, er könne tun, was er wolle und mit wem es ihm gerade beliebte. Seit Jahren gab es Gerüchte, die ihn mit jeder hübschen Frau in London in Verbindung brachten. Die Skandale um seine Person waren infam. Wann immer er Fronturlaub hatte und seinem Re giment fernblieb, war er Tagesgespräch im Londoner ton , und jede junge Dame, die etwas auf ihren guten Ruf hielt, ging ihm tunlichst aus dem Weg. Und das Gleiche galt für seinen Vetter Sir Edward, der, so hatte Cassandra entschieden, dieselben Charaktereigenschaften zu erkennen gab. Oder war der junge Mann nicht etwa im Begriff gewesen, ihre eigene Schwester zu kompromittieren – die ihn obendrein hätte gewähren lassen, wenn es nach ihr gegangen wäre?
„Sie sind erst kürzlich zurückgekehrt, wie ich hörte?“ Sie war freundlich, indes zurückhaltender als zuvor.
„Aus Spanien.“
„Nun, ich hätte mir denken können, dass Sie der Kämpfe überdrüssig geworden sind“, bemerkte sie in überheblichem Ton. „Bei den Annehmlichkeiten, die Sie in London erwarten.“
William musste sich daran hindern, ob ihrer spitzzüngigen Antwort zu schmunzeln. „Davon habe ich tatsächlich mehr als genug“, erwiderte er ruhig. „Und ich schließe aus Ihren Worten, dass mir mein Ruf vorausgeeilt ist. Seien Sie jedoch versichert, dass dieser mehr auf Gerüchten und Wunschträumen beruht als auf Tatsachen.“
„Wenn Sie es sagen, Captain Lampard. Doch das geht mich nichts an.“
„Würden Sie es für impertinent halten, wenn ich Sie nach Ihrem Namen frage?“
„Nicht im Geringsten. Ich heiße Cassandra Greenwood.“
„Miss Greenwood, ich bin hocherfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen – und dankbar, dass Sie zur rechten Zeit des Weges kamen.“
Zögernd hob Cassandra eine Braue und lächelte amüsiert. „Das sollten Sie auch sein. Aber jetzt kommen Sie. Ich werde Dr. Brookes bitten, einen Blick auf Ihre Wunde zu werfen.“
„Dr. Brookes?“
„Er ist Arzt im St. Bartholomew-Hospital. Er pflegt in unser
Weitere Kostenlose Bücher