Süße Teilchen: Roman (German Edition)
ist das Thema der Woche schon der Valentinstag, sodass wir zwischen herzförmigen Stücken Schweinefleisch und mit Spargel gefüllten Pasteten wählen können.
»James scheint an dir interessiert zu sein«, sagt Laura.
»Glaubst du? Aber wenn er wirklich interessiert wäre, würde er mit seinem nächsten Anruf doch keine zwei Wochen warten.«
»Aber er konnte doch neulich gar nicht genug von dir kriegen. Ihr habt ewig zusammen getanzt.«
Ich tanze wahnsinnig gerne. Mein introvertierter Ex-Freund Nick hat in den fünf Jahren unserer Beziehung ein einziges Mal mit mir getanzt, unbeteiligte achtunddreißig Sekunden lang, auf der Hochzeit seines besten Freundes, und das auch nur, weil ich ihm gedroht hatte, dass ich sonst alleine tanze.
»Seinem Freund hat das bestimmt nicht gepasst«, sagt Laura.
»Rob ist ein Arschloch«, sage ich. »Die Frau an der Bar war seine Verlobte!«
»Und sie hat zugesehen, wie er dich angemacht hat?« Ich nicke. »Na, das wird ja lustig«, sagt Laura. »Viel Spaß beim Pärchenabend.«
»Sei nicht so voreilig, vielleicht lernt James in China ein Socken-Model kennen und meldet sich nie wieder.«
Meine Mutter ruft an. Sie wohnt mit ihrem zweiten Ehemann in Newport Beach, im Herzen Kaliforniens. Lenny war früher Zahnarzt, jetzt lässt er sich von meiner Mutter als Fußabtreter benutzen.
»Hast du mit deinem Bruder gesprochen?«, fragt sie. Die Nettigkeiten hebt sie sich offenbar für ein andermal auf.
»Warum?«
»Wegen Shellii, der dürren Schlampe, die deinem Bruder mit ihrem Kristall-Hokuspokus und ihrem Lee-Strasberg-Schauspielunterricht noch das letzte Hemd auszieht.«
»Was ist denn schon wieder los?«
»Sie ist schwanger.«
»Aber das ist doch eine gute Nachricht, oder?« Das bedeutet, dass du mir mindestens zwei Jahre lang nicht mit deinem Wunsch nach Enkelkindern in den Ohren liegen wirst.
Unheilvolles Schweigen am anderen Ende.
»Mum, so schlimm ist sie doch gar nicht.« In Wahrheit ist Shellii schlimmer als schlimm, aber ich bin schon aus Prinzip nicht bereit, mit meiner Mutter einer Meinung zu sein.
»Hm. Was gibt’s bei dir Neues? Wie ist deine Wohnung?«
»Die Wohnung ist super. Mir geht’s super.«
»Und beruflich ist auch alles in Ordnung?«
»Ja, bei den kalten Desserts hab ich das Sagen.«
»Schön, dann iss aber auch mal welche. Deine Großmutter sagt, du bist viel zu dünn.« Meine Mutter spricht zweimal im Jahr mit ihrer Ex-Schwiegermutter, und mein Gewicht scheint das einzige Thema zu sein, das sie noch haben.
Zurzeit bin ich schlank und einigermaßen in Form, aber dünn bin ich nun wirklich nicht, werde ich auch nie sein, wir Kleins haben schwere Knochen. Aber seit meiner Trennung von Nick letzten Sommer habe ich dank Fitnesstraining und umsichtiger Ernährung zehn Kilo abgenommen. Seit meinem zwölften Lebensjahr bin ich erstmals wieder halbwegs glücklich mit meiner Figur, nur mein Hintern könnte noch ein paar Pfunde weniger haben.
Dass ich abgenommen habe, nimmt meine Mutter persönlich, als hätte ich mich mit meinem Fettverlust gegen alles gewendet, was unsere Familie verbindet, und gegen alles, wofür sie steht. Nahrung gleich Liebe, bergeweise Nahrung gleich jüdische Liebe. Über meine Cousine, die aufgrund eines genetischen Fehlers ein Strich in der Landschaft ist, wird auf Hochzeiten gemunkelt, sie sei anorektisch und ihre Abstammung fragwürdig. Lenny bekommt von meiner Mutter am Tag drei warme Mahlzeiten und einen halben Kuchen vorgesetzt, ein früher Tod durch Überfütterung ist ihm gewiss. Aber nicht einmal das wird ihr eine Lehre sein, denn bei seiner Shiv’a wird sie die Trauernden wieder mit Essen vollstopfen (man muss sich das vorstellen wie eine irische Totenwache, nur dass es statt Whisky Sandwich mit Ei und Mayonnaise gibt).
»Oh, Lenny ist gerade nach Hause gekommen«, verabschiedet sich meine Mutter. »Ich muss anfangen, Essen zu machen.«
Zwei Wochen später ruft James vom Flughafen Peking an. »Erinnerst du dich noch an mich?«
»Hat die Clownsschule jetzt Ferien?«
»Du solltest mal sehen, was ich mit drei Essstäbchen und einem Skorpion machen kann.«
»Klingt schmerzhaft. Und, was kann ich für dich tun?«
»Wann hättest du Zeit zum Spaghetti-Essen?«
Mein Lieblingsessen. »Mittwoch nächster Woche.«
»Das ist mir zu lange hin. Ich möchte dich eher wiedersehen.«
Dann hättest du eher anrufen sollen. »Tut mir leid.«
»Jetzt mal im Ernst, was machst du denn bis dahin?«
»Alles Mögliche. Also, bis
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