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0306 - Die Erde spie den Schrecken aus

0306 - Die Erde spie den Schrecken aus

Titel: 0306 - Die Erde spie den Schrecken aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Michael
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Wie an jedem Samstag schoben sich Touristenschlangen durch die Katakomben. Eine enge, fast endlos wirkende Wendeltreppe führte hinab in die Welt des Unheimlichen. Unendlich waren die Gänge, die hier seit den Tagen der Antike in die Erde geschlagen wurden, als man hier Steine brach, um in Paris Gebäude zu errichten.
    Im Mittelalter warf man die Leichen der auf dem Greves-Platz hingerichteten Verbrecher hier hinein, weil man ihnen den geweihten Boden eines Friedhofes versagte. Während der französischen Revolution war dies die einfachste Art, die Opfer der Guilottine verschwinden zu lassen. Und als sich später die Stadt Paris unter Napoleon Bonaparte und seinen Nachfolgern ausdehnte und man Bauplatz benötigte, wurden die regionalen Friedhöfe eingeebnet. Die noch vorhandenen Gebeine wurden ebenfalls in die Katakomben geschafft und dort von einem leicht versponnenen Künstler mit einer gewissen Ästhetik aufgeschichtet, wie sie der Besucher heute noch erlebt. Aus Schädeln und besonderen Knochen schuf dieser Künstler noch Ornamente, die der ganzen Szenerie eine gewisse Ästhetik geben.
    »Haltet ein! Hier ist das Reich des Todes!« steht in französischer Sprache über dem niedrigen Eingangstor zu diesem Teil der Katakomben. Vorher jedoch führen lange Gänge, teils durch die Felsen getrieben, teils gemauert wie ein verwirrendes Labyrinth zu dieser Stelle.
    Das hochgewachsene Mädchen mit den dunklen Haaren und den etwas verträumt wirkenden Augen brachte es nicht fertig, so schnell wie die anderen Touristen durch die Gänge zu laufen, die hofften, hinter der nächsten Ecke eine noch bessere oder interessantere Anhäufung von gelblichem Gebein zu sehen. Eigenartig zogen sie diese Symbole für Tod und Vergänglichkeit an.
    »Ihr habt alle einmal gelebt. Ihr hattet eure Träume und Wünsche. Und ihr habt euer Leben gelebt. Wie immer euer Ende war - nun seid ihr hier. Wer von euch war in der großen Revolution Gierondist und wer war Jakobiner? Wer war bei den Aufständen communarde und wer war Soldat des Bürgerkönigs Louis-Philippe? Der Tod hat euch alle gleich gemacht. Niemand kann euch auseinanderhalten. Ihr liegt nebeneinander in aller Selbstverständlichkeit. Ich denke, die Menschen, die mit etwas Gefühl hier hindurchgehen, können etwas lernen. Und wenn sie lernen, daß der Tod für alle da ist und weder arm noch reich kennt, dann war euer Leben nicht vergebens. Und dann ist es auch nicht vergebens, daß jeden Samstag viele hundert Menschen hier kichernd entlanggehen und ihre Witze über das machen, was die Zeit von euch übrig gelassen hat!«
    Dagmar Holler hatte die Lippen fast flüsternd bewegt und die Worte in deutscher Sprache waren bestimmt nicht verstanden worden. Oder doch?
    Das Mädchen, das eben Zwanzig geworden war, gehörte nicht zu den Menschen, die ein Weiterleben nach dem Tode abstritten. Dazu kam, daß sie mit besonderer Vorliebe Grusel-Romane las und auch einen Horror-Club leitete, wenn ihr der neue Job dafür Zeit ließ.
    Als die Stelle für das Vorzimmer des Junior-Chefs im Möbius-Konzern neu ausgeschrieben wurde, weil Giesela Philippi sich kurzfristig entschloß, zu heiraten, hatte sich Dagmar Holler wie viele andere Kolleginnen ebenfalls beworben.
    Sie hatte das Glück, mit fünf anderen Mädchen in die engere Wahl zu kommen, obwohl der Test in Schreibmaschine und Stenographie mörderisch war. Hier wurden die Sekretärinnen nicht nach dem hübschen Gesicht ausgesucht.
    Dann kam das persönliche Gespräch mit Carsten Möbius, der wie üblich seinen verwaschenen Jeans-Anzug trug und aussah, als käme er gerade aus dem »Hard-Rock-Café«.
    Möbius fragte nichts mehr nach den fachlichen Dingen einer Sekretärin;
    »Glauben Sie an die Welt des Übersinnlichen?« war es gewesen, was Carsten Möbius wissen wollte.
    Dagmar Holler setzte alles auf eine Karte. Sie wußte zwar nicht, was die Frage bedeuten sollte, doch sie antwortete wahrheitsgemäß mit »Ja«. Möbius stellte weitere Fragen und endete schließlich mit einem »Sind Sie der Ansicht, daß ein Mensch die Möglichkeit hat, sich gegen Spuk oder Dämonen zur Wehr zu setzen?«
    »Ich habe die Bücher von Professor Zamorra gelesen und weiß, daß die meisten Dämonenwesen wie Hunde sind, die bellen. Geht man auf sie zu und ist mutig, dann weichen sie meistens zurück !«
    »Manche Hunde beißen auch dann!« warf Carsten Möbius ein.
    »Das ist eben das Risiko!« nickte Dagmar Holler. »Aber wenn ich die Wahl zwischen der sicheren

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