In der Nacht
Arbeiten, essen, schlafen. So sah mein Leben in den letzten Wochen aus. Immer derselbe Rhythmus. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal einfach nur eine Zeitschrift gelesen oder ein wenig ferngesehen habe.
Zwei gefeuerte Kollegen und ein überforderter Chef sorgen für den frustrierendsten Sommer, seit ich jung genug war, um Stubenarrest zu bekommen.
Mit Mitte Zwanzig sollte man seinen Samstagabend nicht mit Wäsche waschen verbringen, doch momentan ist das die einzige Zeit, die ich dafür aufbringen kann.
Noch völlig verschwitzt von einem langen Tag im Büro, gehe ich in meinem knappen weißen Trägertop und einer kurzen Jeanshose aus meiner Wohnungstür. Die Hitze der letzten Tage strahlt jetzt sogar von den sonst kühlen Wänden des Hausflurs ab. Inzwischen müsste die allabendliche Fernsehunterhaltung für die überwiegend älteren Bewohner des Hauses begonnen haben. Deswegen rechne ich eigentlich nicht damit, noch jemandem zu begegnen.
Mit meinem übervollen Wäschekorb unterm Arm, der jetzt schon die zweite Waschladung für heute bedeutet, steige ich die letzten Stufen in den Keller hinab. Gerade will ich um die Ecke nach dem Lichtschalter greifen, als sich eine große Hand auf meine legt. Erschrocken schreie ich auf und lasse den Korb fallen. Das Licht wird eingeschaltet und der neue Nachbar aus dem Dachgeschoss steht in einem Haufen meiner schmutzigen Unterwäsche. Voller Verwunderung sieht er an sich runter und dann in mein Gesicht.
„Entschuldigung. Ich habe immer noch nicht die Verteilung der Lichtschalter rausgefunden, aber ich gelobe Besserung.“ Abwehrend hebt er die Hände und sieht wieder auf den Haufen Unterwäsche zu seinen Füßen. Dieses Mal trifft mich ein anzügliches Grinsen.
„Kein Problem. Es ist ein wenig verwirrend.“ Bevor ich meine Handlung überdenken kann, gehe ich vor ihm auf die Knie, um meine Wäsche einzusammeln.
„Ich würde dir ja helfen, aber ich denke, das ist nicht in deinem Sinne.“
Nein, ist es nicht. Wenn man zu meiner totalen Überarbeitung noch eine monatelange Sexflaute hinzuzählt, dann brauche ich wirklich keinen attraktiven Nachbarn, der meine Höschen einsammelt.
„Ist schon okay. Ich mach das.“ Und ich versuche, nicht zu sehr auf die Ausbuchtung in seiner Trainingshose zu starren. Oder die Tatsache, dass er eben nur diese Hose trägt und mir damit einen ausgezeichneten Ausblick auf seinen trainierten und gebräunten Oberkörper gibt. Seine gepflegten Füße stecken in schwarzen Flipflops.
„Dann geh ich mal wieder zu meiner Waschmaschine“, sagt er und zeigt in die Waschküche.
Mit einem Nicken werde ich ihn für den Moment los. Leider war er nicht auf dem Weg nach oben und zwingt mich damit, ihm wieder gegenüber zu treten.
Einmal tief Luft holen und dann ganz entspannt lächeln. Neuer Nachbar hängt über seine Waschmaschine gebeugt, die er zur Hälfte aus seinem zugewiesenen Platz rausgezogen hat. Dabei sieht er mich nicht, präsentiert mir aber seine überaus ansehnliche Rückseite.
Hektisch räume ich meine Maschine aus und stopfe die nasse Bettwäsche in den Trockner. Der vorhin verstreuten Spitzenwäsche gönne ich einen Feinwaschgang.
„Kannst du mir mal die Zange geben?“, unterbricht mich neuer Nachbar in meiner Konzentration über die Befüllung der Waschmittelfächer. Verwirrt sehe ich mich um und verschütte dabei fast das Feinwaschmittel.
„Wo?“, frage ich. Wo? Ernsthaft? Ist es jetzt schon zu warm, um in ganzen Sätzen zu sprechen?
„Ich meine, wo liegt die Zange?“, versuche ich es noch einmal und lege den Messbecher beiseite.
„Neben meinem Fuß. Ich kann hier gerade nicht loslassen, sonst haben wir eine kleine Überschwemmung.“ Mit leichter Verzweiflung in der Stimme zeigt er mit der Fußspitze auf die große Rohrzange. Vorher den Wasserzulauf abdrehen, hätte helfen können. Aber soll ich jetzt wirklich den Klugscheißer geben?
„Kann ich dir helfen?“ Ich beuge mich neben ihn über die Waschmaschine und reiche ihm die Zange. Von unten herauf sieht er mich verwirrt an. Seine schwarzen Haare stehen in verschwitzten Strähnen vom Kopf ab.
„Nicht hierbei“, blafft er mich an. Er nimmt mir die Zange aus der Hand und konzentriert sich wieder auf seine Arbeit.
Was sollte das denn?
Schnaubend verziehe ich mich wieder und sammele meinen Wäschekorb ein. Natürlich bin ich nicht gerade der Hingucker, mit meinen ungewaschenen, dunkelbraunen Haaren, die in einem wirren Knoten an meinem
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