Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
urteilen, wetterten die meisten gegen Irrsinnige, die wilde Tiere statt Menschen schützten. Schwachsinn.
Kim, die Büroleiterin des SWF teilte mit, dass sich das FBI nach Sams Angestelltenverhältnis erkundigt habe. Sie sah zu Perez.
»Was ist?«, fragte er mit unschuldigem Blick.
»Nichts Wichtiges«, antwortete sie erneut und ging weiter die Liste durch. Blockbuchstaben sprangen ihr entgegen: ICHHABE ZACHARY. Sie schnappte nach Luft.
Klickte darauf. Die Nachricht öffnete sich.
Ich habe Zachary.
Der Absender hatte sich mit 102 236 eingeloggt. Wenig hilfreich. Sie drehte den Laptop herum. Perez las die Nachricht und griff nach seinem Block. »Wer ist 102 236?«
»Ich bin Autorin, kein Technik-Freak. Keine Ahnung, wie man so etwas rauskriegt.«
»Wir kümmern uns darum«, sagte er.
»Wird nicht weiter schwer sein. Die Nummer des SWF haben Sie ja bereits.«
Er hob fragend eine Augenbraue. Dann entspannte sich sein Gesicht wieder. »Das war ich nicht«, sagte er. »Wir hatten Seattle gebeten, Wildnis Westin zu überprüfen.«
Sam drehte den Laptop wieder um und sah sich die Nachricht noch einmal an. »Sollte ich antworten?«, fragte sie.
»Kann nicht schaden. Hält ihn bei der Stange, dann rückt er vielleicht mit mehr raus.«
Ich brauche einen Beweis, tippte sie. Dann zögerten ihre Finger über den Tasten, und Bilder von abgeschnittenen Fingern und Ohrläppchen in Express-Päckchen tauchten in ihrem Kopf auf. Schreiben Sie etwas über Zachary, dass sie nicht aus den Medien erfahren haben, fügte sie hinzu und drückte auf »senden«.
In einem Internet-Telefonverzeichnis suchte sie die Nummer von Scott McElroy heraus, dem Wanderer vom Sierra Club, den Kent erwähnt hatte. Er lebte nicht in Las Rojas, wie zunächst vermutet, sondern in Floral auf der gegenüberliegenden Seite des Parks. Sie notierte sich die Nummer.
Perez schulterte seinen Rucksack, und Sam packte die Minimalausrüstung für einen Tag: Satellitentelefon, Funkgerät, Kamera, Notizbuch, Erste-Hilfe-Set, Snacks, Jacke, Wasser. Den Laptop und die Campingsachen legte sie ins Zelt.
Als sie herauskam, sagte Perez: »Gibt es eine Möglichkeit …« Er zögerte. »Ich würde lieber nicht noch einmal über die Felsenbrücke gehen. Wenn es sich vermeiden lässt.«
Sein Zögern war richtig charmant. »In Ordnung. Wir werden stattdessen die Zickzack-Passage nehmen.« Sie sagte nicht, dass sie mit ihm sowieso nicht noch einmal über die Brücke gegangen wäre. Das Überqueren war strikt verboten, sie konnte nicht riskieren, das man sie bei Tageslicht erwischte.
Beim Wandern erkundigte sich Perez nach der Topografie des Parks. »Warum steigt Charlie über den Abhang zu den Ruinen, wenn es doch einen Wanderweg dorthin gibt?«
»Vielleicht reizt ihn der Nervenkitzel, oder er will einfach beweisen, dass er dazu in der Lage ist. Könnte auch eine Abkürzung sein wie der Weg über die Rainbow Bridge. Wer weiß? Warum rennt er überhaupt mit den Kojoten umher?«
»Gute Frage. Und was macht er, wenn er nicht mit ihnen heult?«
»Das fragte sich hier jeder, FBI.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich nicht mehr so zu nennen?«
»In Ordnung, Perez.«
»Chase«, sagte er.
»Heißt das, ich zähle für Sie nicht mehr zu den Verdächtigen?«
»Mit neunzigprozentiger Sicherheit, nein.« Er sah sie an, ohne das Gesicht zu verziehen.
Sie lachte. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie Chase nennen kann. Woher kommt der Name überhaupt? Chase Manhattan? Oder eine Abkürzung für Charles?«
Er legte den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel, kratzte sich unterm Kinn, als müsse er erst noch überlegen, ob er sie einweihen sollte. Schließlich sagte er: »In meinem Fall ist es die Abkürzung für … ehm … Starchaser.« Er wartete, wie sie reagieren würde.
Sie zwang sich, nicht zu lächeln. »Starchaser?«
»Meine Mutter ist Lakota – sie würden wahrscheinlich Sioux sagen. Meine Schwester heißt Raven und mein Bruder Wolf.« Sein Blick sagte ihr, dass sie keinesfalls lachen durfte.
Oha. Nie im Leben hätte sie ihn für einen sensiblen Ureinwohner Amerikas gehalten. »Interessant«, bemerkte sie vorsichtig.
Seine Augen wichen nicht von ihrem Gesicht. »Ich werde Sie Summer nennen. Der Name passt zu Ihren Farben. Haben Sie eine Schwester namens Spring oder Autumn. Oder einen Bruder, der Winter heißt?«
»Nach meiner Geburt wurde bei meiner Mutter ALS diagnostiziert, eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems. Also weder
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