Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Aber warum sollte ich mir über seine Sorte Sorgen machen? Sie waren immer unter uns gewesen, hatten ihre Ränke geschmiedet, unsere Führer gekauft, die Massen betrogen. Nein, es war Megan und immer wieder Megan und ihr Verrat an allem, wofür ich dachte, daß sie stehen würde: Joe Hill, die Streikenden, die in Ludlow gestorben waren, Woody Guthrie, Dorothy Day, all jene gesichtslosen Arbeiter, die die Historiker, Akademiker und Liberalen gemeinsam mit Gleichgültigkeit straften.
Ich sägte ein Brett durch, traf auf einen Nagel, und das Holz schien praktisch zu zerspringen; die Säge fiel mir aus der Hand, Splitter gruben sich wie Nadeln in meine Haut. Ich machte einen Satz rückwärts, weg von der noch immer laufenden Säge, und riß dann das Kabel aus dem Stecker an der Wand des Köderladens.
»Alles in Ordnung, Dave?« fragte Alafair durch die Fliegengittertür.
»Ja, nichts passiert«, sagte ich und hielt mir den rechten Handrücken.
Durch die Bäume am Bayou sah ich einen schlammverspritzten Lastwagen voller Chrysanthemen die Straße herunterkommen. Er hielt vor dem Bootsanleger an, und Moutʼ Broussard und eine zierliche Hmong-Frau mit spitzem Strohhut und einem Gesicht wie ein runzeliger Apfel stiegen aus. Moutʼ legte einen langen Stock über die Schultern, die Frau hängte einen Korb voller Blumen an jedes Ende, dann griff sie selbst nach einem Korb und folgte ihm zum Anleger.
»Wenn Sie die für uns verkaufen, geben wir Ihnen die Hälfte«, sagte Moutʼ.
»Scheint hier heute nicht viel los zu sein, Moutʼ« erwiderte ich.
»Die Saison ist fast vorbei. Bald kann ich sie sowieso nur noch verschenken.«
»Stell sie unter die Plane. Wir versuchenʼs.«
Er und die Frau lehnten die gelben und purpurroten Sträuße an die Wand des Köderladens. Moutʼ trug ein Jackett über seinem Overall und schwitzte. Er wischte sich das Gesicht mit einem roten Taschentuch ab.
»Alles in Ordnung?« fragte er mich.
»Klar doch«, antwortete ich.
»Das ist gut. Sollte auch so sein«, sagte er. Er legte den langen Stock wieder über die Schultern, schlang die Arme darüber und ging mit der Hmong-Frau im Sonnenschein, der sich in den Bäumen brach, zum Lastwagen zurück.
Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah, dachte ich. Man mußte den Blick nicht weit schweifen lassen, um es zu sehen ... in einem alten Schwarzen, der stolz darauf war, Huey Long und Harry James die Schuhe geputzt zu haben, oder in einer weisen Hmong-Frau fern der Heimat, die in Laos für die Franzosen und den CIA gegen die Kommunisten gekämpft hatte und jetzt Blumen für die Cajuns in Louisiana züchtete. Die Geschichte ging weiter, die Protagonisten wechselten nur den Namen. Ich glaube, Jack Flynn hatte das verstanden und hätte vermutlich seinen Kindern vergeben, als diese es nicht taten.
Ich saß auf einer Bank beim Wasserhahn und versuchte, die Holzsplitter aus meiner Haut zu ziehen. Der Wind frischte wieder auf, und die Rotkehlchen erfüllten die Luft mit einem beinahe ohrenbetäubenden Schwirren der Flügel. Ihre Federbrüste hatten die Farbe von getrocknetem Blut.
»Gehen wir wirklich noch zur Wochenend-Show heute abend?« fragte Alafair.
»Darauf kannst du Gift nehmen«, sagte ich und zwinkerte ihr zu.
Sie setzte Tripod wie einen Sack Mehl auf ihre Schulter, und zu dritt gingen wir die Böschung hinauf zu Bootsie.
Copyright dieser Ausgabe © 2013 by Edel eBooks,
einem Verlag der Edel Germany GmbH, Hamburg.
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel "Sunset Limited".
Copyright der Originalausgabe © 1988 by James Lee Burke
Aus dem Englischen von Christine Frauendorf-Mössel
Covergestaltung: Agentur bürosüd°, München
Konvertierung: Datagrafix
Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.
ISBN: 978-3-95530-357-0
edel.com
facebook.com/edel.ebooks
Weitere Kostenlose Bücher