Sumpffieber
Runde, als fürchtete er, den spottlustigen Augen seiner Bekannten zu begegnen.
Von neuem gab er sich der Erwartung hin.
Auf was, zum Teufel, schossen nur diese Jäger, deren Flinten die Ruhe des Sees unausgesetzt störten? ...
Kurz nach Sonnenaufgang konnte Don Joaquin endlich seine jungfräuliche Waffe abfeuern. Drei Vögel strichen dicht über der Oberfläche hin. Der neugebackene Nimrod drückte auf diese Enten ab, die ihm in seiner Aufregung ungeheuerlich erschienen ... wahre Adler! Der erste Schuß wies keinen weiteren Erfolg auf, als daß sie ihren Flug noch mehr beschleunigten. Aber sofort hinterher knallte es zum zweiten Male: eine Ente überschlug sich, die Flügel zusammenlegend, und fiel aufs Wasser, wo sie regungslos liegenblieb.
Don Joaquin richtete sich mit solchem Ungestüm auf, daß die Bütte ins Schwanken geriet. In diesem Augenblick fühlte er sich allen Männern überlegen und bewunderte den wilden Heldengeist, den er nie in sich vermutet hatte.
»Sangonera! ... Bootsführer!« schrie er mit überschnappender Stimme.
»Eine! ... Wir haben eine! ...«
Vom Boot antwortete ein unverständliches Grunzen.
»Fein!« Sangoneras vollgestopfter Mund ließ die Worte kaum durch. »Wenn mehr da sind, werde ich sie holen.«
Stolz auf seine Tat, verschwand der Jäger wieder hinter seiner Schilfgardine. Jetzt war er sicher, daß er allein genügte, um mit dem ganzenFederwild des Sees aufzuräumen! Schuß folgte auf Schuß, und immer mehr berauschte er sich an dem Pulvergeruch, an der Lust zu vernichten. Ohne sich um Entfernungen zu kümmern, begrüßte er mit seiner Flinte alle Vögel, die in Sicht kamen, mochten sie auch hoch in den Wolken fliegen.
»Cristo! Das ist wirklich ein Vergnügen!«
Und bei diesem blind wütenden Geknatter traf sein Blei sogar manchmal eine unglückselige Ente, die – den sicheren Schützen bisher entkommen – hier als ein Opfer des Verhängnisses fiel.
Derweile verharrte Sangonera unsichtbar auf dem Boden des Bootes.
Was für ein Tag, großer Gott! ... Der Erzbischof von Valencia hatte es in seinem Palast nicht besser als er hier auf dem Stroh, einen ordentlichen Kanten Brot in der Hand und den Topf zwischen den Beinen. Ihm sollte keiner die Leckerbissen in Cañamels Taverne rühmen! Ein elender Fraß, über den höchstens arme Leute die Augen aufreißen können ... Nur die Señores aus der Stadt verstanden, sich was Gutes anzutun!
Er hatte mit der Musterung der drei imposanten Töpfe angefangen, die säuberlich mit starker Leinwand bedeckt und oben zugebunden waren. Welchen zuerst in Angriff nehmen? ... Er erwählte einen, auf gut Glück. Doch sobald er ihn öffnete, zog sich seine Nase bei dem Geruch von Kabeljau in Tomaten lüstern zusammen.
Santisima! Das hieß kochen können! ... Der Kabeljau lag beinahe zergangen in der roten Tomatensoße – so zart, so appetitlich, daß Sangonera beim ersten Bissen einen Nektar zu schlucken glaubte, dessen Aroma den Wein in den Meßkännchen, der ihn während seiner Sakristanzeit zu oft verlockt hatte, weit überflügelte.
»An den hier halte ich mich! Warum noch die anderen aufmachen?«
Und den duftenden Topf zwischen die Beine klemmend, begann er ohne Hast zu essen, mit der Ruhe des Feinschmeckers, der viel Zeit vor sich hat und weiß, womit er sie ausfüllen wird. Enorme Bissen füllten seinen Mund und blähten seine Backen. Regelmäßig wie die Räder einer Maschine arbeiteten seine Kinnladen, während die starr auf den Topf gerichteten Augen dessen Tiefe erforschten und die Anzahl der Reisen kalkulierten, die seine jedesmal mit einem neuen Stückchen Brot bewaffnete Hand noch machen müßte, um alles in seinen Mund zu überführen.
Von Zeit zu Zeit entriß er sich dieser Beschaulichkeit – ein ehrenhafter Mensch, ein gewissenhafter Arbeiter darf auch beim Vergnügen seinePflichten nicht vergessen –, schaute über den Bordrand nach draußen, und wenn sich Vögel näherten, so verkündigte er freudig:
»Don Joaquin! Von Palmar her! ... Don Joaquin! Von Saler her!«
Nachdem er den Jäger über das Kommen der Vögel belehrt hatte, fühlte er sich von dieser Arbeit derart ermüdet, daß er einen langen Zug aus dem Weinschlauch nahm, ehe er den stummen Dialog mit dem Kabeljau in Tomaten wieder anknüpfte.
Drei Enten waren von Don Joaquin heruntergeholt worden, als Sangonera den Topf beiseitestellte, an dessen Rändern unten noch einige kärgliche Reste klebten. Der Vagabund vernahm den Mahnruf seines Gewissens: ein
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