Sumpffieber
fliehen. Wie von Sinnen stakte er blindlings los, bis er einen Wasserarm traf. Zwischen hohem Dickicht folgte er allen Windungen des schmalen Kanals, und als sein Boot, frei von jedem Gewicht, endlich in die offene Albufera hinausstieß, atmete er auf.
Am Horizont lag der bläuliche Streifen des anbrechenden Tages.
Gleich darauf streckte sich Tonet auf dem Boden seines Fahrzeugs aus und versank in jenen todesähnlichen Schlaf, der auf die großen Nervenkrisen folgt und fast immer nach einem Verbrechen eintritt.
11.
D er Tag begann für den Sangoneras Fähigkeiten anvertrauten Jäger mit großen Unannehmlichkeiten.
Schon in der Frühe mußte dieser wackere Bürger zum Herrichten seines Standes die Hilfe einiger vorbeifahrender Bootsführer erbitten, die über den neuen Beruf des Vagabunden herzlich lachten.
Mit der Schnelligkeit, welche die Gewohnheit verleiht, trieben sie in den schlammigen Grund der Albufera drei Pfähle, auf die sie die riesige Bütte setzten. Dann umsäumten sie diesen Unterschlupf mit Schilf, ein grünes Inselchen gestaltend, dem sich die Vögel voll Vertrauen nähern konnten; und um die Täuschung noch zu vervollständigen, wiegten sich einige Dutzend Korkenten rundherum auf dem Wasser.
Sangonera, sehr zufrieden, daß er der ganzen Arbeit entgangen war, lud seinen Jäger ein, in die Bütte zu steigen.
»Ich werde etwas abseits bleiben, damit die Vögel nicht stutzig werden. Sobald Sie genug Enten geschossen haben, brauchen Sie nur zu rufen. Ich komme dann mit dem Boot, um sie aus dem Wasser zu fischen. Viel Glück, Don Joaquin!«
Er sprach so demütig und zeigte so viel guten Willen, sich nützlich zu erweisen, daß der Ärger des gutmütigen Don Joaquin über den Drückeberger verrauchte.
»Schön, schön! Und damit dir die Zeit nicht lang wird, kannst du ein wenig von meinem Proviant kosten. Meine Frau hat mir genug für eine Reise um die Welt mitgegeben.« Dabei wies er auf drei sorgfältig verschlossene Töpfe, einen Korb mit Früchten und einen stattlichen Weinschlauch. Sangoneras Schnute zitterte vor Aufregung, als er sah, daß dieser Schatz am Bug des Bootes, der ihn bereits seit dem vergangenen Abend in Versuchung führte, seinem Ermessen anvertraut war.
Wahrhaftig, dachte der Vagabund, Tonet hat mich nicht bemogelt. Bei dem Dicken geht's einem gut!
Laut sagte er: »Besten Dank, Don Joaquin! Da Sie mich so freundlich zum Kosten eingeladen haben, werde ich mir mal ein Häppchen erlauben, um die Zeit totzuschlagen. Nur ein ganz kleines Häppchen.«
In Rufweite vom Anstand des Jägers machte Sangonera halt und hockte sich im Boot nieder.
Es war hell geworden. Überall auf der Albufera hörte man Schüsse, deren Knall durch das Echo des Sees noch verstärkt wurde. Kaum konnte man am grauen Himmel die Vogelschwärme erkennen, die von dem Knattern erschreckt hochgingen. Doch sobald sie, das Wasser suchend, ein wenig tiefer flogen, fiel ein Hagel von Blei über sie her.
Als Don Joaquin allein in seinem Unterschlupf zurückblieb, konnte er sich einer gewissen Bangigkeit nicht erwehren. Er sah sich isoliert mitten auf der Albufera, in einer gewichtigen Bütte, deren einzigen Halt ein paar Pfosten bildeten, und wagte nicht, sich zu rühren, aus Angst, sein Wasserkatafalk könnte kippen. Sanfte, kleine Wellen plätscherten an die Holzwand, in Höhe seines Kinns – ein ständiges Tschap-Tschap, bei dem es ihm gruselte.
»Wenn dieser Trog versinkt«, murmelte Don Joaquin zaghaft vor sich hin, »dann kann sich mein Bootsführer noch so sehr beeilen – mit all dem Gewicht von Flinte, Patronengurt und den hohen Stiefeln liege ich längst im Schlamm vergraben.«
Während seine im Reisstroh der Bütte steckenden Beine unter einem peinigenden Jucken brannten, erstarrten die Hände infolge der kalten Morgenluft und des eisigen Kontaktes mit der Flinte. Das nannte man Vergnügen! ... Und die Vögel? Wo blieben denn diese famosen Vögel, die seine Freunde angeblich dutzendweise herunterholten? ...
Es gab einen Augenblick, in dem er sich hastig umwandte und zitternd vor Erregung die Flinte an die Backe riß. Sie waren da!
Unbekümmert schwammen sie ganz nahe bei seinem Stand. In ganzen Schwärmen hatten sie sich eingefunden, als er seinen Gedanken nachhing.
»Nur hinhalten ... jeder Schuß sitzt!«
Doch als er abdrücken wollte, erkannte er die Lockvögel aus Kork, die er aus Mangel an Routine vergessen hatte. Er senkte die Flinte und warf unwillkürlich einen schnellen Blick in die
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