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Suna

Suna

Titel: Suna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziefle Pia
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aus nicht, um wen es sich genau handelte –, der Größte also trat ganz nah an das Kassenhäuschen und gestikulierte. Er zeigte auf die Kinder und das Zelt und wollte ganz offensichtlich hineingelassen werden. Er schob seine Hände in die Hosentaschen und kehrte sie nach außen, um zu zeigen, dass er kein Geld besaß. Ein paar der kleineren Kinder gingen auf sein Zeichen hin einfach los, hinein durchs Tor. Johannes hielt den Atem an.
    Doch wie es schien, hatte der große Junge damit zu viel gewagt, denn nun trat den vier oder fünf mutigsten Kindern ein Mann mit einer Reitpeitsche in der Hand entgegen. Drohend hob er sie über seinen Kopf und jagte die Kinder zurück auf die Straße. Schließlich gab auch der Anführer auf und trottete mit hängenden Schultern davon, während die Jüngsten schon wieder ihre alten Hüpfspiele aufgenommen hatten und lustig kreischten, wenn eines von ihnen ins Wasser im Rinnstein gefallen war. Johannes war erleichtert. So einfach hätte es nicht gegen die Regeln gehen dürfen. So einfach nicht.
    Er hielt das Geldstück, das seine Tante Thea ihm gegen all sein Sträuben mit einem entschiedenen »überleg’s dir doch, Johannes« für den Eintritt gegeben hatte, fest umklammert und steckte es bei seiner Rückkehr in seine Spardose aus lackiertem Holz.
    Thea hat ihm diese Spardose gemacht, sie steht noch immer auf einem Regal in seinem Wohnzimmer. Thea ist die Schwester deiner Urgroßmutter Irma, aber wenn ich sie Tante oder gar Großtante, wie es richtig wäre, nenne, wird sie bitterböse, obwohl sie schon beinahe neunzig ist. Sie hatte geschickte Hände, mit denen sie auch den Baumschmuck geschnitzt und bemalt hat, den wir hier auspacken.
    Thea hatte vor Kriegsausbruch in eine Apothekerfamilie eingeheiratet, aber ihr Mann ist ebenfalls im Krieg geblieben, so dass sie nach einigem Hin und Her von ihren fast siebzigjährigen Schwiegereltern die Apotheke übernommen hatte. Ich weiß nicht genau, wie es zugegangen ist, aber so wie ich Thea kenne, hat sie einfach so lange argumentiert, bis es keine Einwände mehr gab.
    Die Wohnung, die zur Apotheke gehörte, vermietete sie und zog nach dem Tod ihres Mannes wieder in den Haushalt ihrer Schwester und ihres Neffen. Sie spricht nicht gern darüber, aber ich glaube, Irma und Johannes waren für sie die Familie, die sie selber nicht mehr gründen konnte, wor­über sie insgeheim vielleicht sogar froh war.
    Thea hat nämlich schon früh begonnen, Reden über die Freiheit der Frau (oder das skandalöse Fehlen von Frauen an Universitäten) am elterlichen Mittagstisch zu führen. Das endete zuerst mit umgeworfenen Soßenschüsseln (Thea), dann mit einem wütenden Vater, der es vorzog, den Rest des Mittagessens in seinem Arbeitszimmer einzunehmen, und einer Mutter, die keine Argumente fand, weil sie ahnte, dass ihre Tochter klug (und wahr) gesprochen hatte.
    Thea kannte den Katechismus bald in- und auswendig, viele Strafstunden hatte sie damit zugebracht, ihn abzuschreiben – und an die Wand zu werfen. Als alles nichts half, gaben die Eltern das Kind schließlich in ein renommiertes christliches Internat.
    Nach ihrem sagenhaften Abschluss ging der Pfarrer (in einer Art Kapitulation) dazu über, mit seiner unverändert kämpferischen Tochter das wöchentliche Evangelium zu besprechen. Es waren nicht die schlechtesten Predigten, die Thea für ihn schrieb.
    Du solltest sie hören, wenn sie loslegt, kızım . Sie lässt sich von niemandem den Mund verbieten, auch nicht von Irma damals.
    Wenn der kleine Johannes beispielsweise nach seinem Vater fragte und Irma wie so oft schwieg, setzte sich Thea über dieses schmerzbewahrende Trauerschweigen, das Irma nicht nur sich selbst, sondern jedem auferlegt hatte, hinweg und sagte fröhlich: »Was soll ich dir von ihm erzählen?«
    »Erzähl mir vom Zaubern!«, sagte Johannes dann und stand mit Sausen in den Ohren ganz dicht bei seiner Tante, um nur ja jedes Wort zu hören.
    »Du setzt dem Jungen Flausen in den Kopf, Thea«, schimpfte Irma. »Vikar ist er gewesen, bei unserem Vater«, sagte sie trocken, auch wenn dem Jungen nicht entging, wie sie sich aufrichtete und ihre Hände rascher mit der Arbeit vorankamen.
    »Ein Spätberufener«, ergänzte Irma, und Johannes hörte, je älter er wurde, aus dem Klang dieses Wortes immer deutlicher eine Besonderheit heraus, die dem Bild, das er sich nach und nach von seinem Vater zusammensetzte, eine neue Farbe verlieh.
    Es war tatsächlich so gewesen, dass der neue Vikar

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