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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gelernt hatte.
    Hätte Em noch Luft zu verschwenden gehabt, hätte sie zu ihm gesagt: Wenn ich das früher gewusst hätte, dann hätten wir das gleich hinter uns bringen können. Und dieser arme Kerl wäre noch am Leben.
    Stattdessen watete sie vor, streckte die Hand aus und packte ihn.
    »Nein!«, schrie er. Er schlug mit beiden Händen nach ihr. Sie waren leer – er musste die Schere im Fallen verloren haben -, und er war zu verängstigt und verwirrt, um auch nur die Fäuste zu ballen. »Nein, hör auf! Lass mich los, du Schlampe!«
    Em ließ ihn nicht los. Sie zerrte ihn tiefer hinein. Er hätte sie leicht abschütteln können, wenn er in der Lage gewesen wäre, seine Panik unter Kontrolle zu bringen, aber das konnte er nicht. Und sie erkannte, dass es wohl nicht nur die Unfähigkeit zu schwimmen war, die ihn außer Gefecht setzte, sondern irgendeine phobische Reaktion.
    Wer würde als Wasserphobiker ein Haus am Golf besitzen wollen? Er müsste verrückt sein.
    Das brachte sie tatsächlich zum Lachen, obwohl er auf sie einschlug und sie mit wild fuchtelnden Händen links und rechts ohrfeigte. Ein Schwall grünes Wasser schwappte ihr in den Mund, das sie prustend wieder ausspie. Sie zerrte ihn tiefer, sah eine große Welle nahen – glatt und glasig, mit einer gerade brechenden Schaumkrone am Kamm – und stieß ihn mit dem Gesicht hinein. Seine Schreie wurden zu einem erstickten Gurgeln, das sofort verstummte, als er unterging. Er zappelte, wand und wehrte sich in ihrem Griff. Der Brecher überspülte sie, und sie hielt die Luft an. Einen Moment lang waren sie beide unter Wasser, und sie konnte sehen, wie sein Gesicht zu einer bleichen Maske der Todesangst verzerrt war, die es unmenschlich aussehen ließ und ihn dadurch zu dem machte, was er wirklich war. Eine Galaxie von Sandkörnern schwebte zwischen ihnen im Grün. Ein ahnungsloser kleiner Fisch flitzte vorbei. Pickerings Augen quollen aus den Höhlen. Sein Fassonschnitt waberte wie Seegras, und sie beobachtete das gespannt, während eine Kette silbriger Bläschen von ihrer Nase aufstieg. Und als sein Haar in die andere Richtung schwankte, nach Texas hin statt nach Florida, schob sie ihn mit aller Kraft an und ließ ihn los. Dann stieß sie sich vom Sandboden ab und stieg auf.
    Japsend tauchte sie in der strahlenden Luft auf. Sie entriss ihr Atemzug um Atemzug, dann watete sie langsam zurück. Es war mühsam, selbst so nah am Strand. Die zurückfließende Welle entwickelte einen mächtigen Sog, und weiter draußen würde der Sog zu einer reißenden Strömung werden, gegen die selbst ein geübter Schwimmer kaum eine Chance hatte, es sei denn, er behielte die Nerven und kraulte in langem Bogen zur rettenden Küste zurück.
    Sie strauchelte, verlor das Gleichgewicht und landete auf dem Hintern, und eine neue Welle überrollte sie. Es fühlte sich wundervoll an. Kalt und wundervoll. Zum ersten Mal seit Amys Tod fühlte sie sich gut. Mehr als gut; alles tat ihr weh, und sie merkte, dass sie wieder weinte, aber sie fühlte sich göttlich.
    Em rappelte sich hoch. Das triefnasse T-Shirt klebte ihr am Leib. Sie sah einen lappigen blauen Fetzen davontreiben, blickte an sich hinab und stellte fest, dass sie ihre Shorts verloren hatte.
    »Macht nichts, die waren sowieso hinüber«, sagte sie und fing an zu lachen, während sie zum Strand watete: jetzt knietief, dann wadentief, dann nur noch mit den Füßen im Wellenschaum. Sie hätte endlos dort stehen können. Das kalte Wasser löschte fast den Schmerz in ihrer brennenden Ferse, und sicher war das Salz gut für die Wunde; hieß es nicht, der menschliche Mund sei das Bazillenträchtigste, was es überhaupt gebe?
    »Ja«, sagte sie und lachte dabei immer noch, »aber wer zum Teufel k…«
    Pickering tauchte schreiend auf. Er war jetzt etwa acht Meter weit draußen. Er fuchtelte wild mit den Armen. »Hilf mir!«, schrie er. »Ich kann nicht schwimmen!«
    »Ich weiß«, rief Em. Sie hob die Hand und winkte, als wünschte sie ihm eine gute Reise. »Und vielleicht triffst du sogar einen Hai. Deke Hollis hat mir letzte Woche erzählt, dass sie gerade Saison haben.«
    »Hilf …« Eine Welle begrub ihn. Sie dachte erst, er würde nicht wieder auftauchen, aber er tat es. Er war jetzt zehn Meter weit draußen. Mindestens. »... mir! Bitte!«
    Seine Vitalität war einfach erstaunlich, zumal sein hektisches Gefuchtel – als glaubte er, wie eine Möwe wegfliegen zu können – kontraproduktiv war, aber er trieb immer weiter hinaus,

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