Super Sad True Love Story
(auch wenn ich mich mit meinem Äppärät in etwa so geschickt anstelle wie meine alten eingewanderten Eltern). Doch auf dem Planeten Eunice Park spielten diese Eigenschaften offensichtlich keine Rolle. Ich war irgend so ein steinzeitlicher Trottel. «Danke», sagte ich. «Wüsste nicht, was ich ohne dich täte.»
Sie lächelte mich an, und ich bemerkte die Sorte Grübchen, die ein Gesicht nicht bloß eindellen, sondern ihm unmittelbar Wärme und Charakter verleihen (und in ihrem Fall die Wut ein wenig mildern). «Ich habe Hunger», sagte sie.
Ich muss ausgesehen haben wie der verwirrte Rubenstein auf der Pressekonferenz, nachdem unsere Truppen bei Ciudad Bolívar vernichtend geschlagen wurden. «Was?», fragte ich. «Hunger? Ist es dafür nicht ein bisschen spät?»
«Ähm, nein, Opa», sagte Eunice Park.
Das ließ ich locker abprallen. «Ich kenne so einen Laden an der Via del Governo Vecchio. Heißt ‹da Tonino›. Erstklassige Pasta
cacio e pepe
.»
«Steht auch in meinem
Time-Out -Führer
», sagte das unverschämte Mädchen zu mir. Sie hob ihren äppärätartigen Anhänger an den Mund und bestellte in schockierend tadellosem Italienisch ein Taxi. So eingeschüchtert war ich seit der Highschool nicht mehr. Selbst der Tod, meine schlanke, unermüdliche Nemesis, wirkte matt im Vergleich zur allmächtigen Eunice Park.
Im Taxi setzte ich mich ein Stück von ihr entfernt und redete belangloses Zeug («Ich habe gehört, der Dollar soll mal wieder abgewertet werden …»). Die Stadt Rom präsentierte sich in lässiger Pracht vor unseren Wagenfenstern,ihrer selbst auf ewig sicher, immer gern bereit, uns Geld aus der Tasche zu ziehen und für ein Foto zu posieren, obwohl sie am Ende nichts und niemanden brauchte. Irgendwann wurde mir klar, dass der Fahrer beschlossen hatte, mich übers Ohr zu hauen, doch ich protestierte nicht gegen seine ausgedehnte Route, vor allem dann nicht mehr, als wir am violett beleuchteten Schildkrötenpanzer des Kolosseums vorbeifuhren, sondern ich sagte mir:
Behalt dies in Erinnerung, Lenny; du musst für irgendwas nostalgische Gefühle entwickeln, sonst findest du nie heraus, was wichtig ist.
Doch am Ende jenes Abends erinnerte ich mich nur noch an sehr wenig. Sagen wir mal so: Ich trank. Aus Angst (sie war so grausam). Aus Seligkeit (sie war so schön). Ich trank, bis sich mein Mund und meine Zähne dunkelrot färbten und das beißende Aroma meines Atems und Schweißes mein fortgeschrittenes Alter verriet. Und sie trank ebenfalls. Aus einem
mezzo litro
des billigen Hausweins wurde ein
litro
, dann zwei, und dann noch eine Flasche, womöglich ein Sardischer, auf jeden Fall schwerer als Stierblut.
Ungeheure Essensportionen waren nötig, den übermäßigen Alkoholgenuss aufzufangen. Nachdenklich kauten wir auf den Schweinebacken der
Bucatini all’amatriciana
herum, schlürften einen Teller Penne mit scharf gewürzter Aubergine, zerrupften ein Kaninchen, das nahezu in Olivenöl ertrank. Ich wusste, dass ich all das vermissen würde, sobald ich nach New York zurückgekehrt wäre, sogar das schreckliche Neonlicht, das mein Alter bloßstellte – die Falten um die Augen, die eine lange Schnellstraße und die drei Landstraßen, die meine Stirn durchschnitten, Zeugnisse ungezählter schlafloser Nächte voller Sorgen um unerfüllte Freuden und mein sorgsam gehütetes Einkommen, vor allem um meinen Tod. Unser Restaurant wurde von Theaterschauspielern frequentiert, und während ich mitder Gabel in die dicken Hohlkörper der Pasta und die glänzenden Auberginenstücke stach, versuchte ich, mir ihre lauten, Aufmerksamkeit heischenden Stimmen und die lebhaften italienischen Gesten für immer einzuprägen, für mich Sinnbild des lebendigen Kreatürlichen und daher des Lebens selbst.
Ich konzentrierte mich auf die lebendige Kreatur vor mir und wollte ihre Liebe wecken. Ich sprach großspurig und, wie ich hoffe, ehrlich. An Folgendes erinnere ich mich:
Ich sagte ihr, ich wolle Rom nicht mehr verlassen, da ich nun sie kennengelernt hätte.
Sie sagte wieder, ich sei ein Nerd, aber einer, der sie zum Lachen bringe.
Ich sagte, ich wolle mehr als sie nur zum Lachen bringen.
Sie sagte, ich solle dankbar sein für das, was ich hätte.
Ich sagte, sie solle mit mir nach New York ziehen.
Sie sagte, sie sei wahrscheinlich lesbisch.
Ich sagte, dass Arbeit mein Leben sei, es aber auch noch Platz für Liebe gebe.
Sie sagte, Liebe komme
nicht in Frage
.
Ich sagte, meine Eltern seien russische
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