Super Sad True Love Story
reinigungsbedürftig wirkte. Vishnu und ich begrüßten uns mit Nee-ger-Abklatschen und -Umarmung . Ich wich meinem Freund nicht von der Seite, laberte ihn mit großem Bedacht voll, wie ich früher, als ich noch jung und Single war, in einer Bar eine Frau vollgelabert hätte; Eunice stand schüchtern in einiger Entfernung, ein Glas Pinot-Irgendwas in der Faust.
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Ich war mir nicht ganz sicher, was das bedeutete. Vishnu starrte abwesend in die Ferne, während ein Wurzelgemüse durch den Grillrost fiel und ein leichtes Zischen von sich gab.
Die Terrasse füllte sich langsam. Da war Noah, offenbar erhitzt und vom Sommer erschöpft, aber dennoch bereit, die Verkündung von Vishnus und Grace’ kleinem Kind zu moderieren, das bald schon, mit schwerer Schuldenlast beladen, auf unsere seltsame neue Welt kommen sollte, und da war Noahs Freundin Amy Greenberg, die humoristische Abwechslung, da sie bereits wieder heftig ihre «Hüftgoldstunde» streamte: Ausbrüche krampfhaften Gelächters und wenig subtilen Ärgers darüber, dass Noah sie nicht auch schwängern wollte, sie nichts hatte als ihre
Turbokarriere
.
Meine Freunde. Meine Lieben. Wir plauderten auf die typisch witzig-traurige Weise aller Enddreißiger über Dinge, die uns früher mal jung gemacht hatten, während Amy einen echten Joint kreisen ließ, schön feucht und ohneSamen, wie ihn nur Medienleute kriegen. Ich versuchte, auch Eunice einzubeziehen, doch sie beschäftigte sich die meiste Zeit am Rand der Terrasse mit ihrem Äppärät, eine Frau, deren umwerfendes Cocktailkleid wie aus einem alten Film wirkte, eine hochmütige Prinzessin, die nur ein einziger Mann versteht.
Noah trat zu Eunice und ließ seinen Retro-Charme auf sie los («Na, junge Dame, so ganz allein?»), und ich sah, wie sie sich ihm zuwandte, sah die Bewegung ihrer Lippen, die kurze Silben des Einverständnisses und der Ermutigung formten, während eine heftige Röte wie Ausschlag ihren schimmernden Hals hinunterkroch, doch sie sprach so leise, dass ich sie wegen des spritzenden, zischenden und verkohlenden Gemüses und des gemeinsamen Gelächters alter Freunde nicht hören konnte.
Weitere Gäste tauchten auf: die jüdischen und indischen Kolleginnen von Grace, Konsum-Anwältinnen, die mühelos von freundlich auf streng, von still auf sprunghaft umschalten konnten, Vishnus sommerhübsche Exfreundinnen, die immer noch Kontakt zu ihm hielten, weil er einfach so ein famoser Kerl war; und ein paar Leute, die mit uns an der NYU studiert hatten, die meisten schmierige Kredittypen, einer mit modischem Irokesenschnitt und Perlenohrring, der es Noah in Lautstärke und Wichtigtuerei gleichtun wollte.
Ich trank ein paar schnelle Wodkas mit Noah, der seinen Äppärät ausschaltete und mir anvertraute, Grace’ Schwangerschaft mache ihn «total nervös» und er wisse nicht, was er als Nächstes tun solle, die meisten Leute fänden seinen Alkoholismus zwar charmant, Amy Greenberg aber sei allmählich besorgt. «Tu, was sich richtig anfühlt», riet ich ihm leichthin, ein Ratschlag aus einer Zeit, als der erste Boeing Dreamliner, noch unter amerikanischer Flagge, vom Erdbodenabhob und in den bleiernen Himmel über Seattle stieg.
«Aber
nichts
fühlt sich mehr richtig an», wies Noah mich zurecht, während sein Blick träge Eunice’ feste Formen abtastete. Ich schenkte ihm reichlich nach, der Wodka schwappte über und nässte meine grillschwarzen Finger. Ich war ja schon froh, dass er heute wenigstens nicht über Politik redete, froh und ein wenig überrascht. Wir tranken und ließen geschehen, dass der kreisende Joint unseren schwankenden Stimmungen einen angenehm feuchtgrünen Beigeschmack verlieh, Gefahr pulsierte hinter meiner Hornhaut, doch mein Sichtfeld war klar und hell, zumindest was meine Zuneigung betraf. Solange ich meine Freunde und Eunice für immer und ewig um mich haben konnte, hatte ich kein Problem.
Eine Gabel klirrte an ein Sektglas, das Einzige im Besitz des Paares, was nicht aus Plastik war. Noah stand im Begriff, seine gut einstudierte «Spontanrede» zu halten. Vishnu und Grace befanden sich mitten unter uns, und meine Sympathie für sie beide strömte in ungezügelten Wellen. Wie schön sie war, in ihrem nichtssagenden weißen Folklore-Top und ihren undurchsichtigen Jeans, diese freundliche, unbeholfene Gans, und genauso Vishnu, dessen dunkle Züge unter der Last der dräuenden
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