Super Sad True Love Story

hat, so harmlos und unschuldig, und ich dachte: DAS soll der Mann sein, der mein Leben zerstört hat?
    Er meinte, die Unterernährung sei ein ernstes Problem, also sind wir zu dem neuen H-Mart an der Second Avenue und haben lauter Zeug gekauft, das nicht schlecht werden kann, eintausend Ddok zum Beispiel und Großpackungen Kimchi (die nicht so gute Sorte) und Wagenladungen von diesen Nori-Kräckern, und das haben wir alles im Taxi in den Park transportiert. Das war schon komisch, denn im Kindergarten hab ich mich immer geschämt, solches Essen in der Frühstücksbox zu haben, und jetzt füttern wir arme Amerikaner damit. Es hat Spaß gemacht, mit Dad einkaufen zu gehen, nicht ein einziges Mal hat er mich angeschrien. Und du weißt ja, wie gut er mit Patienten, die kein Geld haben, umgehen kann. Er hat sogar mit allen Kindern im Aktivitäten-Zelt das Spiel gespielt, das er mit Myong-hee spielt, wenn wir in Kalifornien sind: Er ist ein Flugzeug auf dem Rückflug nach Seoul, und sie steigt an Bord, und dann wird sie angeschnallt, und dann wird das Essen serviert (natürlich auch ddok!), und wenn es ans Landen geht, dann sagt er: «Vielen Dank, dass Sie mit Air Onkel geflogen sind. Bitte überprüfen Sie, ob Sie SÄMTLICHES Handgepäck wiederan sich genommen haben, ja?» Er und David haben sich ungefähr zehn Stunden lang über die Bibel unterhalten, und ich hab gemerkt, David war ganz schön beeindruckt, weil Dad diese ganzen Römerbriefe und so parat hatte und sagte, den Vermögensschwachen zu helfen sei genau so, wie «gen Jerusalem zu reisen und den Heiligen zu dienen», und dieser Bibelspruch hat mir gefallen, weil es sich dadurch so anhörte, als wären David und die ganzen Armen Heilige, jedenfalls viel besser als diese eingebildeten Mediendeppen, mit denen Lenny rumhängt. Dann mussten sie lauter Planen heranschaffen, um den Mais vom Vierten Juli vorm Regen zu schützen, und David versuchte Leute aufzutreiben, die ihnen helfen würden, aber Dad gab die dickköpfige kleine Bulldogge und lehnte jede Hilfe ab, also machten bloß David und er die ganze Arbeit, zwei verlässliche starke Männer, obwohl ich mir Sorgen machte, dass Dad sich erkälten könnte.
    Das war echt komisch, zumal ich fast dachte, das hier könnte doch vielleicht meine Familie sein, ohne Mom oder Sally. Vielleicht wäre ich besser als Junge zur Welt gekommen, was? Ich weiß, du kannst David und diese ganze Aziz-Armee nicht ausstehen, aber als sie fertig waren, hat Dad zu mir gesagt, dass er David richtig intelligent findet und dass es eine Schande sei, wie dieses Land Männer wie ihn behandelt – sie nach Venezuela schickt und ihnen dann weder Prämien noch Krankenversicherung bietet.
    Ich denke mal, in mancher Hinsicht hat mein Vater mehr mit David gemeinsam als mit Lenny. Weil unsere Väter nach dem Krieg in Korea aufgewachsen sind, wissen sie nämlich, wie es ist, wenn man nichts hat und nur durch Klugheit überleben kann. Ich hatte jedenfalls echt Schiss, dass Dad von Lenny anfängt, und einmal dachte ich auch, jetzt ist es so weit, denn da waren wir allein, und wenn wir beide alleinsind, wird er ganz anders, dann lässt er die Maske fallen und hält mir bloß noch vor, wie sehr ich ihn und Mom enttäuscht habe, aber diesmal sagte er nur: «Wie geht es dir, Eunice?»
    Und Scheiße, beinahe hätte ich angefangen zu heulen, das hat er mich nämlich mein ganzes Leben noch nicht gefragt. Ich hab bloß so «Äh-hm, gut, mm-hm» gesagt, und dann hatte ich das Gefühl, ich kriege keine Luft mehr, aber ich wusste nicht, ob das vor Glück war oder vor Schreck, weil seine Frage so endgültig klang, als würde er mich nie mehr wiedersehen. Ich überlegte, was er wohl machen würde, wenn ich ihm einfach um den Hals fiele. Ich hab jedes Mal solchen Schiss, wenn ich das Haus meiner Eltern für länger verlasse, weil er immer in letzter Minute auf mich losgeht, immer sagt er im Auto auf dem Weg zum Flughafen irgendwas Schreckliches, aber ich habe mir auch schon überlegt, ob er nicht insgeheim bloß irgendeine Verbindung mit mir herstellen will, ehe ich abfliege und ihn wegen jemandem wie Lenny im Stich lasse. Genau so fühlte es sich an, als wir aus dem Park raus sind, und es ist einfach aus mir rausgeplatzt: «Wiedersehen, Daddy, ich liebe dich», und dann bin ich zu unserer Wohnung gerannt, und Gottseidank war Lenny nicht da, weil ich nämlich drei Stunden am Stück geheult hab, bis er zum Abendessen nach Hause gekommen ist, und an dem Abend wollte ich