Survivor 1.05
Körperverletzung. Dafür bist du dran!«
Im nächsten Moment hörte er Franklin Fuck Fitzgerald kläglich jammern. Der Bursche hockte noch immer am Boden und blutete sein Lacoste-Shirt voll. »Du bist ein Freak, Nash!«, kreischte er. »Du hast nicht mehr alle Tassen im Schrank!«
Die anderen Mitschüler dachten offenbar genauso. »Ja, Nash hat sie nicht mehr alle!«, rief einer, und ein anderer schrie: »Du hast hier nichts zu suchen, du verdammter Irrer!«
Ryan waren diese Sprüche egal. Was ihm jedoch das Herz brach, als der Security Guard ihn hochriss und davonzerrte, war Lindsey, die ihm ins Gesicht spie: »Warum musst du dich immer wieder aufführen wie ein Verrückter, Ryan Nash? Ich hasse dich!«
Schluchzend lief sie davon.
Verdammt, ihr hatte er doch keine verpasst, sondern Triple-Fuck!
Aber es schien Lindsey peinlich zu sein. Jeder wusste, dass sie mit ihm, Ryan, rumgemacht hatte. Offenbar passte sein Auftreten nicht zu dem Sunshine-Highschool-Girlie, als das sie sich betrachtete.
Sieh es ein, Nash, sagte Ryan sich. Die Kleine kannst du abschreiben. Das Ding ist gelaufen.
Außerdem hatte er jetzt ganz andere Probleme.
Bei dem Streit zwischen Ryan und Franklin F. Fitzgerald war es im Grunde um gar nichts gegangen. Ryan hätte nicht einmal sagen können, wer angefangen hatte. Wahrscheinlich er selbst. Weil er Typen wie Fuck Fitzgerald hasste. Weil er die meisten seiner Mitschüler hasste. Weil sie aus gutem Hause kamen – verwöhnte Gören, denen Daddy alles kaufte, was sie haben wollten, von der Eliteschulausbildung über den Sportwagen bis hin zum Studium an der besten Uni.
Ryan hasste die Typen, weil er sich selbst hasste.
Der Direktor der Schule hatte ihm klargemacht, dass er kurz vor dem Rauswurf stand. Der Mittfünfziger spielte sich auf, als hätte Ryan ein Kapitalverbrechen begangen, seine Lehrerin für englische Literatur vergewaltigt, Feuer gelegt und auf seine Mitschüler geschossen wie einer dieser wahnsinnigen Amokläufer, die sich wie Rambo vorkamen, wenn sie auf unbewaffnete Mitschüler ballerten.
Verdammt, er hatte doch nur diesem Yuppie eins aufs Maul gegeben!
Mit dem Erfolg, dass Fitzgerald ihn nun wegen Körperverletzung anzeigen würde.
Nachdem der Schuldirektor mit Ryan fertig war, durfte er gnädigerweise am restlichen Unterricht dieses Tages teilnehmen. Franklin F. Fitzgerald war nicht mehr in der Klasse; er hatte sich ins Krankenhaus fahren lassen, wo er sämtliche Schäden, die er davongetragen hatte, ärztlich beglaubigen ließ, um sie vor Gericht geltend machen zu können. Ryan hörte die anderen Schüler immer wieder tuscheln, und man braucht nicht paranoid zu sein, um zu wissen, dass Leute was gegen einen haben.
Obwohl es hilft.
Nash war klar, dass er es diesmal zu weit getrieben hatte.
Er suchte Blickkontakt zu Lindsey, doch sie wich ihm aus und starrte demonstrativ zum Lehrerpult.
Nach dem Unterricht versuchte Ryan mit ihr zu sprechen, aber sie fuhr ihn zornig an: »Lass mich in Ruhe, Nash! Es ist aus zwischen uns! Endgültig! Kapiert? Versuch doch mal, dich wie ein normaler Mensch aufzuführen!«
Ryan Nash fuhr einen alten, klapprigen Ford Mustang. Er hatte ihn gebraucht von einem Mann gekauft, der den Wagen ebenfalls aus zweiter Hand hatte. Obwohl Ryan den Mustang liebte und mehrere Stunden die Woche daran herumschraubte, fiel der Wagen immer mehr auseinander. »Die Kiste wird nur noch vom Rost zusammengehalten«, hatte ein Bekannter gespöttelt.
Der Mustang passte so ganz und gar nicht zu den Edelsportwagen und Luxuskarossen, die vor der Villa seines Daddys standen und die seinem alten Herrn und Ryans Mutter gehörten. Mom allein brauchte einen Ferrari, wenn sie ihre Freundinnen besuchen fuhr, und einen Cadillac für kleinere Shopping-Fahrten. Wobei sie sich häufig auch in einem S500er-Benz von einem Chauffeur kutschieren ließ, denn allzu oft ließ ihr Alkoholspiegel es nicht mehr zu, dass sie sich selbst hinter das Steuer setzte. Das war manchmal schon vormittags der Fall.
Ryan stellte den Mustang vor der beeindruckenden elterlichen Villa ab. Sein Dad war in der Bekleidungsindustrie tätig und machte mit seinen Edelklamotten ein Vermögen. Die meisten von Ryans Mitschülern trugen Sachen aus Daddys Produktion – aus Fabriken, die sich überwiegend in der Dritten Welt befanden und in denen Minderjährige für Hungerlöhne sieben Tage die Woche schufteten. Ryans Mitschüler taten so, als würden sie es nicht einmal ahnen. Vielleicht ahnten sie es ja
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