Susanne Barden - 03 in New York
Jamaica, Puerto Barrios, Puerto Cortes, Guatemala und Honduras. Eine Rundfahrt dauerte zwölf Tage; der Preis betrug hundertfünfzig Dollar. Es war zu schön um wahr zu sein, dachte Susy bei sich.
Leider hatte sie recht. Die Leute von der Agentur, an die Fräulein Farrar sie verwiesen hatte, waren sehr verständnisvoll, bedauerten jedoch, in diesem Fall nicht helfen zu können. Etwas anderes wäre es, wenn die Dame zu ihrer Familie reisen oder eine Stellung antreten wolle. Aber sie könnten niemand zu seinem Vergnügen nach Mittelamerika schicken. Es müßte sich um eine Notwendigkeit handeln.
»Aber es ist eine Notwendigkeit!« rief Susy.
»In unseren Augen leider nicht. Wenn Sie jemand finden könnten, der das Geld aufbringt, würden wir die Sache natürlich gern in die Hand nehmen.«
Susy ging niedergeschlagen davon. Es wäre besser gewesen, wenn sie sich gar nicht mit der Sache befaßt hätte. Jetzt fiel es ihr schwer, ihren Plan aufzugeben. Doch was blieb ihr anderes übrig?
Zehn Tage vor Weihnachten schrieb Susy an ihre Mutter und erzählte ihr von dem Bruch mit Bill. Sie konnte es nicht länger aushalten, liebevolle mütterliche Hinweise auf eine Zukunft über sich ergehen zu lassen, die nicht so sein würde, wie sie sie erträumt hatte. Der Antwortbrief der Mutter traf an ihrem freien Nachmittag ein. Sie nahm ihn mit nach oben in ihr Zimmer und legte sich damit aufs Bett. Die Mutter war betrübt, aber verständnisvoll.
»Du mußt am besten wissen, was du tust, mein Kind. Wir sind sehr traurig, denn wir haben Bill liebgewonnen. Pa läßt dir sagen, du sollst etwas recht Törichtes tun, falls dich das tröstet. Ich kann mir gar nicht denken, was er damit meint, aber er sagt, du würdest ihn schon verstehen. Sei nur vorsichtig, mein Kind. Dein Vater hat manchmal recht tolle Einfälle, und du bist genauso wie er.«
Susy lachte leise. Sie wußte sehr gut, was ihr Vater meinte. Und er wußte, was sie brauchte. Aber ihr fiel nichts Törichtes ein, das sie tun könnte. >Mein Vermögen kann ich nicht verjuxen, weil ich keins besitze - außer dem Geld, das Pa mir für die Aussteuer gegeben hat, und das — ach! Hurra!<
Susy sprang auf und rannte zum Telefon. Alice Weston sollte ihre Reise haben! Pa hatte ihr zweihundert Dollar geschenkt, die nutzlos auf der Bank lagen. Der Mann von der Agentur hatte gesagt,
wenn jemand den Betrag aufbringen würde Fräulein Weston
brauchte niemals zu erfahren, woher das Geld stammte. Niemand brauchte es zu erfahren.
Die Angelegenheit war schnell und leicht geordnet, und zwei Tage später kletterte Susy mit heftig pochendem Herzen die Treppe zu Fräulein Westons Wohnung hinauf.
Alice Weston hatte das Bett schon seit einigen Tagen verlassen. Als Susy eintrat, saß sie in einem Schaukelstuhl am Fenster. »Nett, daß Sie mich besuchen, obwohl ich gar nicht mehr krank bin!« sagte sie erfreut. »Aber was ist denn mit Ihnen los? Sie sehen ja aus, als wollten Sie im nächsten Augenblick explodieren.«
»Ich hab Ihnen ein Weihnachtsgeschenk mitgebracht.« Susy zog einen Umschlag aus ihrer Manteltasche und reichte ihn der alten Dame.
Fräulein Weston öffnete ihn erwartungsvoll. »Nanu, was ist denn das? Eine Schiffskarte nach Guatemala! Wollen Sie eine Ferienreise machen?«
»Ich nicht, aber Sie!«
»Ich? Wieso?«
»Ich habe mich an eine Agentur gewandt, die einen Fonds für Leute wie Sie verwaltet. Dort hat man alles für Sie arrangiert. Einen Tag vor Weihnachten fahren Sie mit der Santa Rita für zwölf Tage nach Mittelamerika.«
Alice Weston war sehr blaß geworden. Verständnislos starrte sie auf die grüne Karte mit ihrem Namen. Dann sagte sie, langsam und ohne es noch recht zu begreifen: »Es soll - also Wirklichkeit werden? Einen Tag vor Weihnachten - werde ich - Alice Weston - verreisen? Ich werde über einen Laufsteg auf einen Dampfer gehen - mit einer Reisetasche in der Hand?«
»Ja, ja!«
»Ist - das - wirklich wahr?«
»Ja, es ist wirklich wahr! Sie werden verreisen, und ich werde zum Schiff kommen und winken.«
»Ich werde verreisen«, wiederholte Fräulein Weston. »Ich werde mit einem Dampfer übers Meer fahren!«
Susy beobachtete, wie die alten Augen im endlichen Begreifen des schier Unbegreiflichen aufleuchteten. Dann legte Fräulein Weston die verschränkten Arme aufs Fensterbrett, ließ den Kopf auf die Arme sinken und brach in Tränen aus. Susy wartete ein wenig ängstlich ab, was weiter geschehen würde. Nach einiger Zeit hörte sie Fräulein Weston
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