Sweet about me
versuchte. Er wimmerte. Das dämliche Gesicht, das er dabei machte, nervte gewaltig.
» Memme«, sagte ich und rasierte ihm die kahl geschorene Birne weg. Die Wand, an die sein bisschen Gehirn und viel Blut platschten, sah aus wie ein misslungenes Gemälde von Jackson Pollock. Das, was von dem passionierten Autowäscher übrig geblieben war, sackte rücklings um und blieb bewegungslos liegen.
Sweet About Me. Noch zwei Schuss. Heike hatte sich im Schlafzimmer eingeschlossen. Im Film wirkt es immer so einfach, eine Tür mit dem Fuß oder der Schulter zu öffnen. Für mich war es jedenfalls schwierig. Ich würde mich in den nächsten Tagen mit ein paar blauen Flecken durchs Leben schlagen müssen. Das machte mich noch wütender.
Als ich die Tür endlich geknackt hatte, nahm mir ein widerlicher Geruch den Atem. Es war nicht der Gestank von Blut und Schießpulver. Diese dämliche Kuh Heike hatte sich tatsächlich in die Hose gemacht! Sie klammerte sich, an die Wand gepresst, an ihren winselnden Köter. Und sie spielte die Heldin, kreischte: » Bring mich um, aber lass Sammy leben, bitte, bitte!«
Sweet About Me. Die Waffe zuckte in meiner Hand, peng, und schon war Sammy bei Hitler und Stalin. Das dritte Auge in seinem Kopf sah irgendwie hässlich aus.
Ich ließ Heike den Anblick von Sammys Stillleben genießen. Undankbar kreischend nannte sie mich einen Hurensohn, drohte, mir die Augen auszukratzen. Das konnte ich mir nicht bieten lassen. Peng. Heike glitt langsam an der geschmacklos, aber fachgerecht tapezierten Wand herunter. Anders als bei Sammy sprudelte Blut aus dem durchschlagenen Hals, spritzte auf meine Jeans, färbte sie dunkel.
In meinen Ohren kreischte Sweet About Me. Ich ging rüber ins Wohnzimmer, richtete die Stereoanlage mit Händen und Füßen hin. Den voreilig geschmückten Weihnachtsbaum verschonte ich auch nicht. Dann blies ich die vier brennenden Adventskerzen aus, damit dem Haus nichts passierte. Neben dem Kranz stand eine in Geschenkpapier eingewickelte Flasche. Ich riss die Verpackung weg und schüttete mir den billigen Cognac in den Hals. In meinen Ohren ein wildes Durcheinander aus Funkverkehr und Störsendern. Der tote Köter im Treppenhaus fiel mir ein. Der musste da weg, bevor die Wohnungsauflöser vom Essen zurückkamen.
15
W as für ein Glück, Tom hatte die Garage ausnahmsweise nicht blockiert. Ein alter Mann, der Werbezettel in die Briefkästen stopfte, wünschte mir frohe Weihnachten. Meine Haare waren nass, meine Haut glühte vom heißen Duschen. Bevor ich losfuhr, verstaute ich Frau Hauensteins letzte Bestellung auf dem Rücksitz.
Unterwegs hielt ich an und stopfte die Tüte mit meinen blutbespritzten Klamotten in einen Abfalleimer. Die Knarre hatte ich vorsichtshalber noch dabei. Man konnte nie wissen, wofür ich sie noch brauchen konnte. Schließlich sah man ihr nicht an, dass keine Kugel mehr in ihr steckte. WDR 2 spielte den scheußlichsten Song aller Zeiten, Honey von Bobby Goldsboro. Das passte irgendwie.
Lange musste ich nicht auf den Schulbus warten. Ich stieg aus dem Wagen, als sich die Bustür öffnete. Nase und Lippen von Michelles kurzhaariger Begleiterin waren gepierct. Ich sah, dass auch in ihrer Zunge ein Ring steckte, als sie auf mich zeigte und sagte: » Das ist doch der Ficker von der Tusse, die dich geschlagen hat, ne?«
Michelle nickte zögernd.
» Endlich Weihnachtsferien, was?«, sagte ich wie ein guter Onkel und gab Michelle das Weihnachtsgeschenk. Die Sonne kam raus, und ein paar magere Schneeflocken fielen.
Die Gepiercte riss das Päckchen aus Michelles Hand und warf es auf den Boden. Ich versuchte sie daran zu hindern, die liebevolle Verpackung zu zertreten.
» Rühr mich nicht an, Opa«, schrie die Gepiercte, » verpiss dich! Sonst sag ich den Bullen, du hättest mir an die Titten gefasst!«
Michelle war anscheinend genauso erschrocken wie ich. » Ich hab dich lieb«, sagte ich.
Meine zweite Tochter antwortete nicht.
Die Gepiercte hakte sich bei Michelle ein und zog sie weg wie bei einer Verhaftung. Ich ging zum Wagen zurück und fuhr los. Ich achtete darauf, dass meine Vorderreifen das zertrampelte Geschenk gründlich überrollten, dabei summte ich laut die Melodie von Honey.
In der Villa Sonnenschein herrschten Sonnenfinsternis und ein düsterer Geruch. Im überheizten Zimmer von Frau Hauenstein saß eine beinamputierte Frau mit hängenden Armen im Rollstuhl und starrte das Titelbild einer Zeitschrift an. Prince Charles und Camilla.
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