T93 Band 1: Überlebe!
mit Kleidungsfetzen behängter Körper von irgendwas, das einmal ein Mensch gewesen war. Noch vor zwei Stunden hatte Erwin Dahlke, pensionierter Lokomotivführer, gebürtig in Gera, in seinem Schrebergarten in der Rendsburger Schleife Geranien gepflanzt. Seine eigene Nachzucht von türkischen Geranien, deren Ableger er im letzten Urlaub aus Side mitgebracht hatte, erfreute sich im Freundeskreis größter Beliebtheit. Ein Substrat aus rein organischen Materialien sorgte dafür, dass diese Pflanzen in der Sommermitte in Pracht und Blüte standen. Und nun stand er im Keller eines Krankenhauses, eine sabbernde, untote Bestie inmitten von Blut und Verderben. Aber daran dachte er schon längst nicht mehr. Ihn leitete nur noch ein Trieb: Töten.
Dort roch es nach Opfern. Viel mehr Opfern. Fleisch. Und Blut. Er begann, sich auf die Treppe zuzubewegen, die in die höher gelegenen Stockwerke führte, als dort die Flügel der Türen in seine Richtung förmlich explodierten. Soldaten in Uniform und mit Waffen im Anschlag stürmten herunter, einer brüllte ihn an.
»Halt. Stehenbleiben! Bleiben Sie stehen, oder wir schießen!«
Kurz darauf bellten Schüsse durch den Flur. Kurze, harte Salven, ein todbringendes Stakkato. Der Körper des Untoten wurde von Kugeln getroffen, zurückgeschleudert, hin und her geworfen. Aber er fiel nicht. Er stürmte auf die Soldaten ein, biss sich in einem fest, während die anderen auf ihn einschossen. Niemand achtete auf den Flur. Ein Fehler.
Das von der Bestie getötete Pflegepersonal erwachte nämlich aus der Todesstarre und zeigte ungeahnte Aktivität. Blitzartig erhoben sich die toten Leiber und stürzten sich auf die Soldaten, die der Wucht der völlig überraschenden Attacken nichts entgegen zu setzen hatten. Sie fielen im Sekundentakt. Die Gutturallaute, die diese Bestien absonderten, erfüllten den Gang, dessen Boden mit dem Blut der Getöteten geflutet wurde. Das Echo der nackten Wände machte es für die wenigen Nichtinfizierten noch viel schlimmer. Hier hatte es keinen Anschlag gegeben, hier waren keine B-Waffen zum Einsatz gekommen, diese Leute, die hier meuchelnd umher hetzten, waren ZOMBIES.
Jahr Null. 15. Juli, Mittag
»Zombies?«
»Zombies.«
»Ah ja. Und, äh, Sie sind noch einmal … WER?«
Der Leiter des Regierungskrisenstabes, Generalmajor Klingner, sah den leger gekleideten jungen Mann ungläubig an, der da vor ihm stand.
Hier im Krisenzentrum in Berlin, untergebracht in einem der Regierungsbunker, waren gut zwei Dutzend Leute aus verschiedenen Fachbereichen zusammengekommen, um der Lage Herr zu werden, die sich da draußen immer weiter zuspitzte. In den letzten Wochen hatte es in ganz Deutschland und im angrenzenden Euro-Gebiet Ausbrüche dieser merkwürdigen Seuche gegeben, die wahrscheinlich hoch ansteckend war und Menschen in reißende Bestien verwandelte. Inzwischen waren die Notstandsgesetze in Kraft, das Land wurde vom Bundespräsidenten per Edikt regiert, und in allen Großstädten tobte das Chaos.
Klingner kämpfte auf nahezu verlorenem Posten, denn die Seuche ließ sich nicht eindämmen. Und nun stand da im Kommandobunker ein nicht mal dreißigjähriger Pimpf vor ihm und faselte wirres Zeug, das direkt aus einem John-Sinclair-Heftchen entsprungen schien. Was glaubte dieser Windelpisser eigentlich, wer er war? Wollte er gleich ein silbernes Kreuz hervorholen, eine magische Formel sprechen, und alles war gut? Er sah sein Gegenüber immer noch an, als hätte er die Hoffnung, mit seinem Blick den Frechdachs da zu Stein werden zu lassen. Der schien jedoch von dem militärischen Gehabe nur mäßig beeindruckt und entgegnete dem Generalmajor in einer höflichen Weise, die im Grunde sagte ›du kannst mich kreuzweise, alter Sack‹.
»Oh, hatte ich vergessen, mich vorzustellen? Vielleicht habe ich mich auch undeutlich ausgedrückt, das passiert mir ab und an. Mein Name ist Walter McDogherty, ich bin persönlicher Referent der WHO-Direktorin Margaret Chan und Sonderbevollmächtigter der Abteilung IV im Bundesministerium für Gesundheit. Ich wurde von KSK Brigadegeneral Knut Baehr persönlich für dieses Forum hier eingesetzt.«
Klingner wurde blass, zumindest innerlich. Dieses Bürokratengefasel ging ihm fix am Allerwertesten vorbei, aber dass ein Brigadegeneral vom Kommando Spezialkräfte den Mann hierher geschickt hatte – nun, das hatte Bedeutung. Zumindest bedeutete es, dass der Bursche irgendwie was auf dem Kasten haben musste. Die FOSK würde keine
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