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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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können, die kleinen wie die großen. Vielleicht wird er lernen, sich selbst zu vergeben.«
    »Vielleicht.«
    »Sie glauben es nicht«, sagte Frieda.
    »Ich wünsche ihm alles Gute, Mrs. Levine«, sagte Decker. »Ich wünsche Ihnen und Ihrer ganzen Familie alles Gute. Aber es gibt Dinge …«
    »Über die man nie hinwegkommt«, sagte Frieda.
    Decker antwortete nicht.
    »Ich bin gekommen, um Sie um Verzeihung zu bitten«, sagte Frieda. »Zum einen im Namen meiner Familie, weil wir sie in diese furchtbare Gefahr gebracht haben. Zum anderen ganz persönlich.« Ihre Augen waren glänzende Teiche geworden. »Ich bin gekommen, um Sie zu bitten, mir zu verzeihen.«
    »Es gibt nichts zu verzeihen«, sagte Decker. »Ich hab’ den Fall freiwillig übernommen, ich kannte die Risiken. Das ist mein Job. Deshalb trage ich eine Waffe. Natürlich find’ ich es schlimm, daß ich angeschossen wurde, aber dafür kann niemand etwas, außer Hersh Schaltz, und der ist tot.
    Und was Sie betrifft … ich habe lange darüber nachgedacht, Mrs. Levine. In diesem Zimmer hier hatte ich sehr viel Zeit zum Nachdenken. Ich glaube, ich habe mich immer zu sehr damit beschäftigt, wer meine leiblichen Eltern sein mochten. Jahrelang hab’ ich sie mir im Geiste vorgestellt, besonders als Teenager, wenn ich mich über meine Eltern geärgert habe. Damals hatte ich das Gefühl, daß ich nicht in meine Familie gehöre. Aber das ist in dem Alter natürlich ganz normal. Man fühlt sich nirgendwo zugehörig.«
    Frieda nickte.
    »Aber so empfinde ich nicht mehr«, sagte Decker. »Wissen Sie, wenn man angeschossen wird, gehen einem viele Dinge durch den Kopf. Mein erster Gedanke war: Oh, Gott, ich werde sterben. Mein zweiter: Was wird aus Rina? Der dritte: Lieber Gott, es wird meiner Mutter das Herz brechen. Meiner Mutter unten in Florida …«
    »Ich verstehe.«
    »Tatsächlich? Früher hab’ ich mir immer Sorgen gemacht, wie ich, wenn ich Sie kennenlernen würde und wenn alles ideal liefe, mit dem Loyalitätskonflikt fertig würde.« Decker zögerte einen Augenblick. »Es gibt keinen Loyalitätskonflikt, Mrs. Levine. Sie sind eine sehr nette Frau, aber ich habe nur eine Mutter.«
    »Ich möchte, daß es so bleibt.« Friedas Stimme war von Trauer erfüllt, ihre Augen feucht. »Aber daß Sie nur eine Mutter haben, bedeutet doch nicht, daß wir gar keine Beziehung zueinander haben können.«
    »Wir haben eine Beziehung zueinander«, sagte Decker. »Keine enge Beziehung, aber immerhin eine Beziehung. Und wenn es auch in Ihrem Sinne ist, möchte ich gerne alles so lassen, wie es ist. Ich bin nicht mehr dieser Jugendliche, der allem auf den Grund gehen will, Mrs. Levine, aber ich bin auch nicht herzlos. Ich habe unendliches Verständnis, ja Respekt für dieses fünfzehnjährige Mädchen, das mich zur Adoption freigegeben hat. Für dieses arme Mädchen, das so viel Angst gehabt haben muß, das mit seinen zornigen Eltern und all den Schmerzen einer Geburt fertigwerden mußte und mit niemandem darüber reden konnte, weil es in einer sehr strengen religiösen Gemeinschaft lebte …«
    »Hören Sie auf, bitte!« Frieda bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und fing jämmerlich an zu schluchzen. So hatte sie nicht reagieren wollen, aber seine Worte … wie hatte er nur wissen können, was sie all die Jahre empfunden hatte. Sie weinte und weinte, bis sie glaubte, keine Flüssigkeit mehr in sich zu haben. Aber die Tränen hörten nicht auf.
    Schließlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Sie griff danach, mußte es berühren, ihr Baby – ihr süßes kleines Baby, das ihr von einem strengen, unversöhnlichen Vater und einer passiven, verwirrten Mutter von der Brust gerissen worden war. Oh, wie sie die Hand ihres Babys hielt und sie drückte, bis sie bemerkte, daß er vor Schmerz das Gesicht verzog.
    »Oh, mein Gott, es tut mir ja so leid.« Sofort ließ sie seine Hand los. »Hab’ ich Ihnen weh getan?«
    Decker sagte, nein.
    »Es tut mir so leid …«
    »Ist schon gut.« Er tätschelte ihre Hand. »Mit mir ist alles okay. Und mit Ihnen?«
    Frieda nahm ein Kleenex aus ihrer Handtasche und trocknete sich die Wangen. »Akiva, wissen Sie, warum ich meinen Mann geheiratet habe?«
    Decker schüttelte den Kopf.
    »Es gibt in unserer Religion einen Brauch namens Pidjon Haben – Rückkauf des Erstgeborenen. Haben Sie schon mal davon gehört?«
    Decker sagte, er hätte. Der Brauch basierte auf der letzten Plage, die Gott den Ägyptern auferlegt hatte, die Tötung der

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