Dark Heart: Zweiter Band
Als ich mit…
A ls ich mit meinem Wagen auf der schmalen, kurvigen Straße zum Saint Marks Summit hinauffuhr, hing die Spätnachmittagssonne wie ein Feuerball über dem westlichen Horizont und tauchte die schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains in ein grelles Licht. Der ganze Tag war trübe und regenverhangen gewesen. Erst am Nachmittag hatte der Wind unerwartet gedreht und die schweren Wolken zurück aufs Meer getrieben. Jetzt war der Himmel von einem fast unwirklichen Blau. Besorgt fragte ich mich, ob das Anwesen von Lilith McCleery über die kleine Zufahrtsstraße überhaupt erreichbar war, denn beim letzten Unwetter hatten Felsen und umgestürzte Bäume die Schotterpiste beinahe unpassierbar gemacht.
Nebel stieg aus dem dichten Farn auf, der das niedrige Buschwerk des Waldbodens bedeckte. An manchen Stellen konnte ich nur wenige Meter weit sehen. Im Schritttempo wich ich mehreren Felsbrocken aus, die ein Steinschlag auf die Straße geschleudert hatte. Nur ein falsches Bremsmanöver, ein hektisches Verreißen des Lenkrads, und der Käfer würde die steile Böschung hinabstürze n – und ich wäre wahrscheinlich mausetot.
Auf halbem Weg entdeckte ich Teile eines zersägten Baumstamms am Wegrand. Vor einigen Tagen hatte er noch quer über der Schotterpiste gelegen. Ich vermutete, dass Hank und seine Leute noch in der Nacht des Angriffs die Straße passierbar gemacht hatten. Im Lichtstrahl der Scheinwerfer sah ich im Dunst etwas aufblitzen. Langsam näherte ich mich der Stelle, wo Mark und ich Solomon in die Falle gegangen waren. Die Fußrasten des Motorrads hatten tiefe Spuren in den Boden gekratzt und noch immer lagen die Scherben des abgerissenen Rückspiegels herum. Vorsichtig gab ich Gas, beide Hände fest am Lenkrad, und versuchte, mich wieder auf den Weg zu konzentrieren.
Ich war in Vancouver aufgewachsen und Ausflüge in die Wildnis hatten zum Wochenendprogramm unserer Familie gehört. Trotzdem fühlte ich mich unwohl. Die Gegend erschien mir wie ein fremdes Königreich, obwohl ich erst fünfzehn Kilometer von Downtown Vancouver entfernt war, auf dem Weg in die Rocky Mountains. Ich beugte mich über das Lenkrad und spähte durch die Windschutzscheibe hinauf zum Berggipfel. Etwa auf halbem Weg musste sich Lilith McCleerys Anwesen befinden.
Seit mehreren Generationen gab es ein Friedensabkommen zwischen Menschen und Vampiren. Die Einhaltung dieses Vertrages garantierten die Wächter, zu denen auch meine Großmutter gehörte. Die Vampire hatten versprochen, keine Jagd mehr auf Menschen zu machen, und die Wächter sorgten dafür, dass sie sich an diese Verpflichtung hielten. Als ich erfahren hatte, dass einige meiner eigenen Vorfahren mit Vampiren in Verbindung gestanden hatte n – und noch immer stande n –, war das ein Schock für mich gewesen. Doch damit nicht genug: Ich selbst war die Tochter eines Nachtgeschöpfes. Erst wenige Tage waren vergangen, seit meine Mutter mir die Wahrheit über meinen leiblichen Vater erzählt hatte. Im Gegensatz zu ihr konnte ich aber damit leben. Sie hatte all die Jahre gegen diese Wahrheit gekämpft, und sie hatte alles darangesetzt, mich von dieser fremden, gefährlichen Welt fernzuhalten. Doch sie konnte meine Bestimmung nicht aufhalten. Und jetzt war ich, Lydia Garner, auf dem Weg zur Königin der Vampire, um ihre rechte Hand zu werden. Nach dem Tod ihres menschlichen Gefährten Charles Solomon brauchte sie nun dringend einen Vertrauten, der ihr bei den Tagesgeschäften half.
Als ich die letzten Kilometer zum Anwesen zurücklegte, begann mein Herz schneller zu schlagen. Hank hatte zwar angeboten, mit seinen Leuten das Anwesen zu bewachen, aber Lilith McCleery hatte ganz allein in ihrem Schloss bleiben wollen. Selbst ihren Hofstaat hatte sie kurzfristig ausquartiert.
Ich konnte Hanks mulmiges Gefühl nur zu gut verstehen. Zwar war das gesamte Grundstück von einem meterhohen, mit vollautomatischen Kameras gespickten Zaun umgeben, doch nützten all diese technischen Sicherheitsvorkehrungen nichts, wenn tagsüber niemand die Monitore überwachte. Was hätte ich jetzt darum gegeben, Mark bei mir zu haben!
Der Nebel verdichtete…
D er Nebel verdichtete sich, als ich in den kleinen Waldweg bog, der zur Lodge hinaufführte. Zwei Biegungen weiter hielt ich vor einem verschlossenen Tor an und stieg aus. Ich ließ den Motor laufen, sein gleichmäßiges Geräusch beruhigte mich. Hier oben war es so kalt, dass ich meine Jeansjacke fröstelnd zuknöpfte. In diesem Moment
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