Tag der Buße
setzte sich an sein Bett. »Wie fühlst du dich?«
Decker lächelte. Sie trug einen flauschigen rosa Pullover und einen grauen Wollrock. Ihr Haar hatte sie zu einem Knoten gesteckt, der von einem rosa Netz bedeckt war. Ihre Augen waren klar wie Quellwasser, ihre Wangen leicht gerötet, und ihre Lippen glänzten dunkelrosa. Er streckte seine Hand aus. Sie nahm sie und küßte jeden einzelnen Finger.
»Fühlt sich gut an«, sagte Decker. »Wo sind die Jungs?«
»Sie rufen dich später an.« Sie führte seine Hand an ihre Wange und küßte sie noch einmal. »Du mußt dich gut mit Randy unterhalten haben. Du siehst besser aus.«
»Ich hab’ mich gefreut, ihn zu sehen.«
»Ich hab’ ihn nicht benachrichtigt«, sagte Rina. »Er ist einfach bei meinen Schwiegereltern aufgekreuzt, weil er ahnte, daß irgendwas nicht stimmte. Er hat Ima Sora einen fürchterlichen Schreck eingejagt. Als sie ihn durch den Spion sah, wollte sie nicht aufmachen. Zum Glück war ich da. Sie begriff nicht, warum Randy als Polizist so nachlässig angezogen war. Die Feinheiten der Undercover-Polizeiarbeit waren ihr eindeutig nicht nahezubringen.«
Decker lachte, dann zuckte er zusammen.
»Da du nicht da warst, als Randy auftauchte«, fuhr Rina fort, »mußte ich ihm sagen, wo du bist und was wirklich passiert ist.«
»Schon gut, Rina«, sagte Decker. »Ich bin froh, daß er hier war.« Er zögerte kurz. »Ja, ich bin wirklich froh.«
»Wenn man sich nicht auf die Familie verlassen kann, auf wen denn dann?« sagte Rina.
»Das stimmt.«
»In schwierigen Zeiten ist es immer schön, jemanden aus der Familie um sich zu haben.«
Decker sah sie an. Irgendwas beschäftigte sie. Er fragte, was los sei. Rina seufzte.
»Mrs. Levine ist unten. Es war ihre Idee. Wenn du sie nicht sehen willst, geht sie sofort nach Hause. Sie hat ganz klar betont, daß sie deine Wünsche respektiert. Aber wenn du dich in der Lage fühlst, sie zu sehen …«
»Ich denk’ schon«, sagte Decker.
»Wenn es dir zu viel ist …«
»Nein, ist es nicht. Schick sie rein. Es ist okay.«
Und es war okay. Schließlich hatte die Frau ihm Blut gespendet. Und sie hatte ihm das Leben gegeben. Sie war zwar nicht seine richtige Mutter, aber er verdankte ihr schon einiges.
Rinas Augen wurden feucht. »Es ist sehr nett von dir, daß du sie sehen willst nach allem, was du durchgemacht hast.«
»Was soll’s?«
»Sie ist sehr nervös, Peter.«
Decker lächelte. »Ich werde nett zu ihr sein.«
Rina küßte ihn auf die Nase und wollte aufstehen, doch Decker hielt sie an der Hand fest. »Erst noch ein paar Kleinigkeiten.«
»Klar.« Rina setzte sich wieder hin. »Wie du willst.«
Decker räusperte sich. »Es tut mir leid, daß ich dir die Handschellen angelegt hab’. War wohl keine so gute Idee.«
Rina lächelte. »Zum Glück hatte ich ja deine Schlüssel.«
»Ich hatte mich schon gefragt, weshalb deine Tasche so schwer war«, sagte Decker. »Ich hab’ gedacht, das war’ der Revolver. Verzeihst du mir?«
»Ich verzeihe dir. Ich weiß, daß du in guter Absicht gehandelt hast. Ich halt’ mich in Zukunft aus deiner Arbeit raus, aber du mußt lernen, mir zu vertrauen.«
»Einverstanden.«
»Sonst noch was?« fragte Rina.
»Yeah.« Decker räusperte sich erneut. »Danke, daß du so geistesgegenwärtig warst, zu tun, was du getan hast …«
»Peter, bitte …«
»Nein, laß mich ausreden.« Er sah nach unten und faltete seine zitternden Hände. »Du hast dich wie ein absoluter Profi verhalten, Rina. Was soll ich sagen? Ich steh’ tief in deiner Schuld, Mädchen.«
Rina nahm sein Gesicht in ihre Hände. Wie sehr sie ihn liebte! Mochte er nie erfahren, was ihr wirklich durch den Kopf gegangen war. Ein Mann war bereits in ihren Armen gestorben, sie hatte nicht noch einen verlieren wollen. Gott hatte ihr Flehen erhört. Gott war bei ihnen gewesen. Sie hielt die Tränen zurück und sagte: »Wenn du dich erkenntlich zeigen willst, dann tu mir einen Gefallen. Versprich mir, daß du, wenn wir wieder zu Hause sind, zum Arzt gehst.«
»Zu einem Psychofritzen?«
»Nicht zu einem Psychofritzen – zu einem Arzt«, betonte Rina. »Zu einem Psychiater oder einem Psychologen, jemandem, der gelernt hat, wie man Leuten hilft. Meine Güte, Peter, ich werd’ auch zu einem gehen, sobald wir wieder zu Hause sind. Es gibt da einige Dinge, über die ich reden möchte. Ich brauche Hilfe. Und du auch!«
»Willst du, daß wir zusammen hingehen?«
»Nein, Peter«, schalt Rina. »Wir brauchen
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