Tag der Entscheidung
Teil deiner Erziehung auch warten, bis du erwachsen bist. Du bist zu sehr wie dein Vater, um in einem zarten Alter zwischen rivalisierenden Frauen frei herumzulaufen.«
»Was meinst du damit?« wollte Justin wissen.
Mara lächelte ihren Sohn ein wenig abwesend an. »Wenn du älter bist und ich nicht mehr Regentin bin, wirst du es sehen.«
Der Garten war abgeschlossen, ein grüner Hafen aus Schatten, umgeben von Blumen und Quellen. Mara wanderte auf den Wegen und suchte Frieden. Neben ihr ging Hokanu. Ab und zu unterhielten sie sich, dann hüllte Schweigen sie wieder ein. »Ich werde dich vermissen«, sagte er plötzlich.
»Und ich dich«, erwiderte Mara schnell, bevor sie ihre Stimme ganz verlor. »Mehr, als ich dir sagen kann.«
Hokanu schenkte ihr ein tapferes Lächeln, hinter dem er die Trauer fest in seinem Innern verbarg. »Du hast sicherlich die Gerüchteküche belebt und Lady Isashani eine Pause zum Nachdenken verschafft. Sie wird beschäftigt sein mit Briefeschreiben, und ich werde die Folgen ihrer Verkupplungsversuche abwehren müssen.«
Mara versuchte, über seinen Humor zu lachen. »Du bist das Beste, was sich eine Frau in einem Mann wünschen kann. Du hast mich ohne Bedingungen geliebt. Du hast mich niemals von meiner Bestimmung abgehalten.«
»Das hätte niemand gekonnt«, gestand Hokanu trocken. Unausgesprochen hinter seinen Worten war seine Wut auf die Taten von Jiros Attentäter: Wenn nicht das fürchterliche Gift des Tong gewesen wäre, würde er jetzt nicht die einzige Frau verlieren, die ihm geistig gewachsen war.
Mara pflückte eine weiße Blume und reichte sie Hokanu. Zärtlich flocht er sie in ihr Haar, wie er es früher oft getan hatte. Helle Strähnen waren jetzt in dem Schwarz, passend zu der Farbe der Blüten.
»Du hast mir eine wunderschöne Tochter als Erbin geschenkt«, sagte Mara. »Eines Tages wird sie Brüder haben, die deine Söhne sind.«
Hokanu konnte nur nicken. Nachdem er längere Zeit schweigend neben der Lady hergegangen war, meinte er: »Es liegt eine gewisse Eleganz darin, daß Kasuma dir als Herrscherin folgt.« Sein Lächeln war bittersüß. »Unsere Tochter. Mein Vater würde glücklich sein zu erfahren, daß unsere Kinder zwei große Häuser regieren werden.«
»Er ist es«, verkündete eine Stimme.
Der Lord und die Lady drehten sich überrascht um. Sehr geheimnisvoll in der schwarzen Robe, verbeugte sich Fumita vor ihnen. »Mehr als du ahnst… mein Sohn.« Das Eingeständnis der Verwandtschaft wirkte nicht gezwungen, sondern war eine frohe Verkündung, die der veränderte Status der Versammlung jetzt möglich gemacht hatte. Das ernste Gesicht des Magiers brach in ein verblüffend strahlendes Lachen aus. »Lady Mara, versteht Euch immer als meine Tochter.« Dann wurde sein Gesichtsausdruck gelassen, und er überbrachte die offizielle Nachricht. »Ich bat darum, derjenige zu sein, der die Große Herrin über den Entschluß der Versammlung informiert. Die Entscheidung war zögerlich, doch die Magier erfüllen die Forderungen. Unser Orden wird sich vor dem neuen Gesetz verantworten, das Kaiser Justin über das Kaiserreich verhängt hat.«
Mara neigte respektvoll den Kopf. Sie erwartete schon, daß Fumita genauso schnell verschwand, wie es sonst immer seine Gewohnheit war, wenn er einen Auftrag erledigt hatte.
Doch als hätte seine Anerkennung der Verwandtschaft mit seinem Sohn gewisse Schleusentore geöffnet, blieb er dieses Mal noch. »Mein Sohn, meine Tochter, ich möchte, daß ihr beide wißt, wie sehr ich eure mutigen Handlungen anerkenne. Ihr habt den Acoma und den Shinzawai große Ehre erwiesen. Ich wünschte nur, mein Bruder – Hokanus Stiefvater – könnte dies noch miterleben.«
Hokanus Gesicht blieb gelassen, doch Mara spürte seinen großen Stolz. Ein leichtes Lächeln stahl sich schließlich auf seine Lippen und wurde beinahe sofort von Fumita erwidert. »Ich schätze, keiner der Schößlinge aus dem Hause Shinzawai ist geschickt darin, die Traditionen aufrechtzuerhalten«, bemerkte der Magier. Dann wandte er sich an Mara: »Ihr werdet niemals ermessen können, wie schwer es für manche von uns gewesen ist, das Leben aufzugeben, das wir geführt hatten, bevor unsere Macht erkannt wurde. Es war für jene wie mich noch schlimmer, da wir bereits erwachsene Männer mit Familien waren, als sich die Kräfte offenbarten. Die Geheimnisse der Versammlung haben unsere Gefühle zerstückelt, glaube ich manchmal. Das war ein tragischer Fehler. Wir wurden
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