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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Geraghty
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Seite der Straße war im Begriff zu schließen, die Rollläden ratterten in die Stille hinein. Ich lief los.
    »Ach, Grace, bist du es?« Es war Ray, der Besitzer, der die Einnahmen in der Kasse zählte. Er begrüßte mich immer, als wäre er ein fünfundsiebzigjähriger alter Herr aus Kerry. Dabei war er um die vierzig und aus Ranelagh.
    »Ich bin’s«, sagte ich wie immer. Ich wartete auf ihn.
    »Und willst du wieder eine Schachtel Kippen? Und vielleicht eine Kokosmakrone zu deiner Tasse Tee?«
    »Will ich, Ray, danke.«
    Eben diese Unterhaltung führten wir seit Jahren, und heute Nacht tröstete mich diese Vertrautheit.
    Nach mir schlurfte der alte Jenkins in den Laden und schenkte mir ein breites Lächeln. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass ich ihn das letzte Mal gesehen habe.
    »Wo waren Sie, Grace? Ohne Sie ist das Haus nicht dasselbe.«

    »Ich habe ein paar Tage bei Mary gewohnt.«
    »Oh«, war alles, was er sagte. Er hatte Mary nur ein einziges Mal gesehen, und ich sage nur, dieses eine Mal war genug.
    »Ist Caroline daheim?« Ich hielt den Atem an.
    »Ist sie. Sie und ihr Bruder. Dieser junge Mann von Ihnen.« Mein Gott. Was machte denn Shane noch immer hier? In meiner Wohnung? Er war wie der verfluchte 15B. Nie da, wenn man ihn brauchte, aber wenn man im Auto festsaß, dann waren plötzlich alle Busse der Linie auf einmal auf der Straße.
    Wir gingen zusammen zum Haus zurück. Ich ging langsam, zum Teil wegen Mr Jenkins schwerfälligem Gang, vor allem aber, weil ich nicht dort ankommen wollte. Aber ich musste mich mit Vorräten eindecken (die Kleidung für die morgige Messe), bevor ich mich auf den Weg zu Lauras Haus machte: Sie hatte mir eine SMS geschickt, »mi casa es su casa«, die ich wörtlich nahm.
    Ich musste hineingehen.
    »Sie sind sehr still, Grace.« Mr Jenkins blieb am Tor stehen, um sich auszuruhen, bevor er die Auffahrt in Angriff nahm.
    »Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit Caroline und Shane«, erklärte ich ihm. Ich setzte mich auf die Mauer und rauchte meine Zigarette zu Ende.
    »Das sieht Ihnen nicht ähnlich«, sagte er. Und er hatte Recht. Ich stritt mich nie mit Caroline. Es hatte nie einen Grund gegeben. Shane kritisierte und missbilligte so einiges an mir, aber ich fühlte mich ihm gegenüber immer verpflichtet, weil er mein Freund war, sodass ich mich selten mit ihm stritt.
    »Was ist passiert?«
    Wie sollte man das zusammenfassen?

    »Ich habe mit Carolines Freund geschlafen. Na ja, damals war er noch nicht ihr Freund, aber ich habe ihn geküsst, nachdem sie schon zusammen waren, und Caroline hat uns gesehen und hat es Shane erzählt, der den Freund – Carolines – mitten auf dem Hochzeitsempfang von Clare grün und blau geprügelt hat.« Mir ging die Luft aus, aber Mr Jenkins hatte wohl das Wesentliche mitbekommen.
    »Hätten Sie Lust, auf einen Whiskey und ein getoastetes Käsesandwich mit zu mir zu kommen?« So verlockend das Angebot auch war (der Teil mit dem Sandwich), ich lehnte es dennoch ab.
    »Ich gehe besser und löffle die Suppe da oben aus«, sagte ich lachend. Und seltsamerweise war es kein aufgesetztes Lachen. Zugegeben, es war ein leises, aber doch ein echtes.
    »Wenn ich die Säbel klappern höre, komme ich nach oben. Ich tu dann so, als wollte ich mir eine Tasse Zucker borgen, okay?«
    »Danke, Mr J.« Ich beugte mich vor und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, wobei ich seinen feinen Geruch wahrnahm – nach frischem Heu, trocken und süß.
    Der Tisch in der Eingangshalle war leer und wirkte unheilvoll. Keine Prospekte, keine Kreditkartenabrechnungen, keine Postkarten von Laura. Sie fuhr ständig in Urlaub. Bin weg, um dieses Wochenende Schweden zu erobern, sagte sie. Oder Österreich. Oder Lettland. Mein Brief an Caroline lag auch nicht da. Vielleicht hatte sie ihn gelesen? Da es nichts mehr gab, mit dem ich mich weiter ablenken konnte, ging ich auf die Wohnungstür zu. Sie öffnete sich, bevor ich den Schlüssel im Schloss umdrehen konnte.
    »Ich habe dich draußen gehört«, sagte Shane. »Lachend.« Das letzte Wort klang wie eine Anklage, und ich stand da und sagte nichts, weil ich mir nicht sicher war, wie ich mich verteidigen sollte. »Kommst du herein?«

    »Ist Caroline da?« Ich warf einen Blick über seine Schulter.
    »Sie ist im Bad.« Unglaubliche Erleichterung durchströmte mich. Ich würde ihr nicht begegnen müssen. Wenigstens nicht heute Abend.
    Shane trat zur Seite, um mich hereinzulassen.
    »Ich hole nur etwas. Ich

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