Tage in Burma
anderen Firma, stand vor der Anschlagtafel und studierte mit bitter
konzentrierter Miene eine Bekanntmachung. Er war ein kleiner, drahthaariger Mensch mit blassem, scharf geschnittenem
Gesicht und unruhigen Bewegungen. Maxwell, der
geschäftsführende Bezirks-Forstbeamte, lag in einem
Liegestuhl, las im Field und war unsichtbar bis auf zwei grobknochige Beine und dicke, mit feinen Härchen bedeckte
Unterarme.
»Seht euch diesen ungezogenen alten Mann an«, sagte
Westfield, Mr. Lackersteen halb zärtlich bei den Schultern packend und ihn schüttelnd. »Beispiel für die Jugend, was? Gut, daß es nicht uns erwischt hat, und so weiter. Man kann sich vorstellen, wie man mit vierzig sein wird.«
Mr. Lackersteen gab ein Stöhnen von sich, das wie ›Brandy‹
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klang.
»Armer alter Kerl«, sagte Westfield; »ein richtiger Märtyrer des Alkohols, heh? Seht nur, wie er’s aus allen Poren
ausschwitzt. Erinnert mich an den alten Hauptmann, der immer ohne Moskitonetz schlief. Als sein Diener gefragt wurde,
warum, antwortete der: ›Nachts Master zu betrunken, um
Moskitos zu bemerken; morgens Moskitos zu betrunken, um
Master zu bemerken.‹ Seht ihn euch an - nach der Sauferei gestern abend will er jetzt noch mehr. Dabei kommt eine kleine Nichte zu ihm zu Besuch. Soll heute abend kommen, nicht wahr, Lackersteen?«
»Ach, laß diesen Saufkopp in Ruhe«, sagte Ellis, ohne sich umzudrehen. Er hatte einen gehässigen Cockney-Ton. Mr.
Lackersteen stöhnte wieder, »... die Nichte! Gebt mir um
Himmels willen einen Brandy.«
»Gutes Vorbild für die Nichte, heh? Wenn sie den Onkel
siebenmal in der Woche unterm Tisch liegen sieht. Heh, Butler!
Brandy für Mr. Lackersteen Master!«
Der Butler, ein dunkler, kräftiger Drawida mit wässerigen gelben Augen wie die eines Hundes, brachte den Brandy auf
einem Messingtablett. Flory und Westfield bestellten Gin. Mr.
Lackersteen schluckte ein paar Löffel und lehnte sich, nun resignierter stöhnend, in seine m Sessel zurück. Er hatte ein fleischiges, kluges Gesicht mit einem Bürstenbärtchen. Er war im Grunde ein sehr einfaches Gemüt, ohne einen anderen
Ehrgeiz als »sich zu amüsieren«. Seine Frau beherrschte ihn mit der einzig möglichen Methode, ihn nie für mehr als ein bis zwei Stunden aus den Augen zu lassen. Nur einmal, ein Jahr nach ihrer Heirat, war sie für vierzehn Tage verreist und unerwartet einen Tag früher als geplant zurückgekommen und hatte Mr.
Lackersteen betrunken vorgefunden, rechts und links von einem nackten burmanischen Mädchen gestützt, während ein drittes ihm Whisky aus der Flasche einflößte. Seitdem hatte sie ihn
»wie eine Katze vor einem verdammten Mauseloch« beobachtet,
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wie er sich zu beklagen pflegte. Trotzdem brachte er es fertig, sich recht häufig zu »amüsieren«, obgleich es dabei meistens ziemlich rasch hergehen mußte.
»Meine Güte, was ist nur heute früh mit meinem Kopf los«,
sagte er. »Ruf den Butler nochmal, Westfield. Ich brauch noch einen Brandy, bevor meine Missus hier aufkreuzt. Sie sagt, sie will meine Sauferei auf vier Gläschen am Tag runterschrauben, wenn unsere Nichte hier ist. Zum Teufel mit allen beiden!«
setzte er düster hinzu.
»Hört mit dem Quatsch auf, ihr alle, und hört euch das an«, sagte Ellis säuerlich. Er hatte eine komisch verletzende
Sprechweise und machte sehr selten den Mund auf, ohne
jemanden zu beleidigen. Er übertrieb seinen Cockney-Akzent absichtlich wegen des zynischen Tones, den er seinen Worten gab. »Habt ihr diesen Wisch vom alten Macgregor gesehen? Ein Blumensträußchen für jeden. Maxwell, wach auf und hör zu!«
Maxwell ließ die Field sinken. Er war ein blonder Jüngling mit frischen Farben, nicht älter als fünf- oder sechsundzwanzig, sehr jung für seinen Posten. Mit seinen schweren Gliedmaßen und dichten weißen Augenwimpern erinnerte er an das Fohlen eines Karrengaules. Ellis zwickte die Notiz mit einer
geschickten, gehässigen Bewegung von dem Brett und begann
sie vorzulesen. Sie war von Mr. Macgregor angeschlagen
worden, der nicht nur stellvertretender Kommissar, sondern auch Clubsekretär war.
»Nun hört euch das an. ›Da dieser Club bisher noch keine
orientalischen Mitglieder hat und es jetzt üblich ist, Beamte von öffentlich anerkanntem Rang, ob Eingeborene oder Europäer, zur Mitgliedschaft der meisten europäischen Clubs zuzulassen, ist der Vorschlag gemacht worden, die Frage zu erwägen, ob wir diese Praxis in Kyauktada verfolgen
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